Brief von Ferruccio Busoni an Arnold Schönberg (Berlin, 26. Juli 1909) Ferruccio Busoni Prepared by Maximilian Furthmüller Digitization by Arnold-Schönberg-Center, Wien Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Berlin Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften Briefe Briefwechsel Ferruccio Busoni – Arnold Schönberg Christian Schaper Ullrich Scheideler USA Washington, D. C. The Library of Congress Music Division Arnold Schoenberg Collection Österreich Wien Arnold-Schönberg-Center 19513 Busoni nennt die von Schönberg zugesandten Klavierstücke (op. 11,1–2) verfeinerte künstlerische Gebilde; konstatiert allzugroße ConcKonzision; erhebt pianistische Einwände. Ich empfing Ihre Stücke und den begleitenden Brief 1 Bogen 4 beschriebene Seiten Die vier Seiten des Bogens hat Busoni in der Reihenfolge 1, 3, 2, 4 beschrieben, letztere beiden im Querformat. Der Brief ist gut erhalten. Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift. Bibliotheksstempel (rote Tinte) Der Brief wurde in Berlin am 26. Juli 1909 verfasst. Theurich 1977, S. 166 f. Theurich 1979, S. 141 ff. (Brief), S. 67 (Kommentar)

Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.

Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.

Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten und werden in der diplomatischen Umschrift wiedergegeben. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden umgebende Satzzeichen nicht mit einbezogen.

Busoni, Ferruccio Berlin Schönberg, Arnold Revisionselement hinzugefügt, status unfinished Dokument auf Status="proposed" gesetzt. Korrekturkommentare in Code überführt, status candidate
Sehr verehrter Herr Schönberg!

Ich empfing Ihre Stücke Es handelt sich um die ersten beiden der Drei Klavierstücke op. 11 von Schönberg, die beide im Februar 1909 fertiggestellt worden waren. Das dritte Stück entstand erst im August. und den begleitenden Brief. Beide zeigenzeugen Im Original: zeigen. von einem denkenden u.und fühlenden Menschen, als welchen ich Sie übrigens schon zu erkennen geglaubt habe. Ich kenne von Ihnen ein Quartett, Es ist nicht vollkommen zu klären, ob Schönbergs Streichquartett Nr. 1 oder Nr. 2 gemeint ist. Die Vermutung, Busoni sei anlässlich seiner Meisterklasse im Februar 1907 und der gleichzeitigen Uraufführung des Streichquartetts Nr. 1 mit diesem Werk in Berührung gekommen (Theurich 1979, S. 66 f.), geht insofern fehl, als Busoni seine Lehrtätigkeit am Wiener Konservatorium erst im Oktober begann (Dent 1933, S. 159; Stuckenschmidt 1967, S. 31). Dennoch ist naheliegend, dass Busoni über Kenntnisse des Streichquartetts Nr. 1 verfügte, war das Werk doch bereits 1907 im Dreililien-Verlag in Berlin veröffentlicht worden, das Streichquartett Nr. 2 hingegen erst im Laufe des Februars 1909, noch dazu im Selbstverlag. Lieder, Es ist unklar, welche Lieder Schönbergs Busoni zu diesem Zeitpunkt bekannt waren. und seinerzeit hatte ich eine Partitur von Pelleas <choice><abbr>u.</abbr><expan>und</expan></choice> Melisande in Händen. Schönberg hatte Busoni bereits 1903 Pelleas und Melisande aus Anlass der Aufführung seiner Instrumentierung von Schenkers Syrischen Tänzen bei den Berliner Orchesterabenden angeboten (vgl. den Brief vom 10. September 1903) und eine Partitur zukommen lassen (vgl. den Brief vom 20. September 1903). Zu einer Aufführung war es nicht gekommen, da Schönberg eine anderweitige Darbietung des Werks (im Rahmen der Konzerte der Vereinigung schaffender Tonkünstler) in Aussicht hatte und die Partitur zurückforderte (vgl. den Brief vom 16. Dezember 1903; siehe auch Weindel 2004, S. 101 f.). Busoni scheint sich daran offenbar nicht mehr erinnert zu haben. Die Instrumentation von Schenkers Tänzen (die ich in Berlin zur Aufführung brachte) Busoni hatte die Syrischen Tänze von Schenker in der Instrumentation von Schönberg im Rahmen des dritten Konzerts der Berliner Orchesterabende am 5. November 1903 aufgeführt (Dent 1933, S. 332 f.). bewies den bewunderungswürdigen Orchester -V v irtuosen. Von diesen gegebenen Punkten ausgehend, waren mir Ihre Klavierstücke keine Überraschung – d. i.: ich wußste beiläufig, was ich zu erwarten hatte. Es war mir demgemässß selbstverständlich , dass ich mit einer subjecktiven, eigenartigen u.und auf das Gefühl gegründeten Kunst zu thun haben würde – und dass es verfeinerte künstlerische Gebilde sein würden, die ich mit denen Sie mich in Berührung brächten.

Das hat sich Aalles erfüllt, und ich freue mich innig einer solchen Erscheinung.

Anders steht es mit meinem Eindruck als Klavierspieler, von welchem ich – sei es durch Erziehung, sei es durch fach männische Einseitigkeit – nicht absehen kann. – Was mir die ersten Bedenken gegen Ihre Musik als CKlavierstück einflösstßt, ist die wenige Breite des Satzes und im Umfange der Zeit u.und ders Raumes.

Das Klavier ist ein kurzathmiges Instrument, u.und man kann ihm nicht genug nachhelfen.

Ich habe Ihre Stücke nun den fünften Tag bei mir u.und habe mich täglich mit ihnen beschäftigt. Ich glaube Ihre Absichten zu erfassen u.und getraute Theurich 1977 (166) fälschlich: getraue. mich, nach einiger Vorbereitung, die Klänge u.und Theurich 1977 (166) und Theurich 1979 (152) stillschweigend: und. Stimmungen nach Ihrer Erwartung wiederzugeben. Doch ist die Aufgabe, durch allzugroße ConcKonzision, Gedrängtheit, Kürze, Bündigkeit (lat.: concisio). (das ist das Wort), erschwert.

Da ich fürchte, missverstanden zu werden, so nehme ich mir die Freiheit, Ihnen – zu meiner Vertheidigung Theurich 1977 (166) und Theurich 1979 (152) stillschweigend: Verteidigung.eine kleine Illustration meiner Worte zu geben. Sie schreiben: Arnold Schönberg, Klavierstück op. 11 Nr. 2, T. 40

um das Orchestrale in’sins Pianistische zu übertragen:

Ferruccio Busoni, Bearbeitung von Schönbergs op. 11 Nr. 2, T. 47 Die hier vorliegende Passage erscheint in der Druckfassung von Busonis Bearbeitung leicht verändert – wohl aufgrund der sich in den folgenden Briefen anschließenden Diskussion (vgl. Theurich 1979, S. 67).
* The * Library * of * Congress * Aber vielleicht entspricht das ganz und gar nicht Ihren Absichten. Ausgehend von dieser Passage aus der Bearbeitung des Klavierstücks op. 11 Nr. 2 durch Busoni entwickelt sich in den folgenden Briefen eine intensive Diskussion um Schönbergs Klavierstil, den Stellenwert einer Transkription sowie um eine mögliche Publikation der Werke. Vgl. hierzu die Briefe bis einschließlich 18. Juli 1910, zu Schönbergs Äußerungen zur Kompositionstechnik v. a. die Briefe vom 13. August 1909, 24. August 1909 und 3. Juli 1910.

Ich werde aber die Sachen noch durcharbeiten, bis sie mir ganz ins Blut gedrungen. Dann denke ich vielleicht anders.

Dieses soll weder ein Urtheil,eil noch eine Kritik sein – welche beide ich mir (einer solchen Individualität wie der Ihrigen gegen über) nie anmaassßen würde, sondern durch nur mein Bericht des empfangenen Eindrucks u.und meine Meinung als CKlavierspieler. –

Seien Sie inzwischen bedankt und freundschaftlich begrüssßt. Gerne hätte ich weiter * The * Library * of * Congress * Ihr Vertrauen, und sagen Sie, was wenn ich sonst was thun soll. –

Ihr sehr ergebener Ferruccio Busoni 26. Juli 1909.