Brief von Arnold Schönberg an Ferruccio Busoni (Wien, 6. Oktober 1909) Arnold Schönberg Prepared by Jakob Schmidt Digitization by Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Berlin Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften Briefe Briefwechsel Ferruccio Busoni – Arnold Schönberg Christian Schaper Ullrich Scheideler Deutschland Berlin Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv Nachlass Ferruccio Busoni Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4551 Mus.ep. A. Schönberg 12 (Busoni-Nachl. B II) Kalliope-Verbund DE-611-HS-736378 ich vermisse schon seit langem 1 Bogen 4 beschriebene Seiten Der Brief ist gut erhalten. Hand des Absenders Arnold Schönberg, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift Hand des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat. Bibliotheksstempel (rote Tinte) Bibliotheksstempel (blaue Tinte) Adressstempel des Absenders Arnold Schönberg, mit violetter Tinte unbekannte Hand, die mit leichtem Bleistift die Datierung ergänzt hat Der Brief wurde in Wien am 6. Oktober 1909 verfasst. Theurich 1977, S. 180 Theurich 1979, S. 175 (Brief), S. 87 (Kommentar)

Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.

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Schönberg, Arnold Wien Busoni, Ferruccio Datei als Platzhalter erstellt, Transkription ausstehend. Ersttranskription; Überarbeitung und Kommentierung ausstehend.
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4551 [1] 6/10. 6.10.1909
Arnold Schönberg  – – Wien – – – IX. Liechtensteinstraße 68/70
Sehr verehrter Herr Busoni,

ich vermisse schon seit langem irgend eine Nachricht von Ihnen und zerbreche mir den Kopf um den „Grund mir aufzufinden“Anspielung auf Richard Wagners "Meistersinger", dort singt Sachs: "Wahn! Wahn! Überall Wahn! Wohin ich forschend blick in Stadt- und Weltchronik den Grund mir aufzufinden warum gar bis aufs Blut die Leut sich quälen und schinden in unnütz toller Wut?". der Ihr plötzliches Stillschweigen veranlaßt veranlasst hat. Ich kann nicht darauf kommen und mußmuss annehmen, daßss irgend ein Miß verständnisMissverständnis vorliegt, denn ich bin mir nicht im Entferntesten bewußtbewusst auch nur irgend etwas getan zu haben, was ich beabsichtigt hätte und das Sie hätte verletzen dürfen. Oder habe ich etwas unterlassen? Das könnte eher sein. Mein Schwung reicht stets nur fürs Sachliche und erlahmt immer am reinen Formalen im Ver kehr. Ich habe noch nie Jemandem eine „warme“ Höflichkeit sagen können und versuche das auch nie. Meine Sympathie Mus.ep. A. Schönberg 12 (Busoni-Nachl. B II) und meine Hochschätzung äußern sich mehr indirekt: dadurch daßss ich Jemandem das Bedürfnis bezeige mit ihm zu ver kehren, mit ihm zu reden.

Deshalb, da mir also bewusst jede Absicht gefehlt haben mußmuss, und mir Ihre Verstimmung sehr schmerzlich wäre, beschwöre ich Sie, mir zu sagen, was vorliegt. Ich bin sicher, ich kannskann's aufklären.

Ich selbst habe bis vor zwei Tagen sehr angestrengt, zuerst an der KompositionDie Erste Niederschrift des Monodrams "Erwartung" wurde am 27. August 1909 begonnen und am 12. September 1909 abgeschlossen. und dann an der InstrumentationDie Partiturreinschrift wurde am 4. Oktober 1909 vorläufig abgeschlossen. meines neuesten Werkes gearbeitet. Es ist ein Monodram (für die Bühne) und ich glaube es ist mir außerordentlich gelungen. Der Rest der Zeit, war mit Unterhandlungen ausgefüllt, die ich mit meinem früheren Verlag Dreililien und meinem zukünftigen der Universal-Edition hatte.Schönberg war seit 1903 vertraglich an den Berliner Verlag "Dreililien" gebunden. Der zunächst auf fünf Jahre befristete Vertrag war zweimal um je ein Jahr verlängert worden und lief Mitte des Jahres 1910 aus. Im Oktober 1909 kam es zur Vertragsunterzeichnung beim Wiener Verlag Universal-Edition. Letztere hat mir Anfang September einen Antrag gemacht, der mich nach userem gestrigen [2] Entschlusse für die nächsten 10 Jahre bindet. Und so muss ich Ihnen nun auch herzlichst dankend mitteilen, daßss ich bei Breitkopf und Härtel nicht verlegen darf. Ich wollte Ihnen nicht früher darüber schreiben, denn es sah lange Zeit so aus, als ob ich mich mit der Univ. Ed nichts werden sollte und da wollte ich mich nicht zwischen zwei Stühle setzen. Außerdem wußtewusste ich nicht, daßss die U. E. auf mein gesamtes Schaffen refle*ktieren werde. Da das nun aber doch geschehen ist, bitte ich Sie Br. u. H. davon zu benachrichtigen.

Ich habe gelesen, daßss Sie im De cemberDezember in Wien sind. Nun wollen der Tonkünstler-Verein und der Verein für Kunst und Kultur einen Abend mit neuen Sachen von mir machen.Das Konzert fand am 13. Januar 1910 statt. Auf dem Programm stand u. a. die Uraufführung der Drei Klavierstücke op. 11 (Interpretin: Etta Werndorff) sowie der George-Lieder op. 15. Ließe sich das nicht machen, daßss wenn man das in die näheNähe Ihres Konzerts verlegte, Sie eventuell die 3 Klavierstücke spielten? Ich bin nämlich zu neubegierig, Sie von Ihnen zu hören und das wäre ja eine Gelegenheit. Allerdings, wenn Sie sie für Ihr eigenes Konzert angesetzt hättenhatten, wäre mir das noch lieber, denn ich bin viel lieber mit dem regelmäßigen Publikum in Ver bindung, als mit dem außerordentlichen.

Nun noch eine Bitte: Die Universal Edition, die diese drei Klavierstücke auch bringen will, möchte vorher von Ihnen eine Zusage haben, daßss Sie sie öffentlich spielen.Vermutlich hat Busoni Schönbergs Klavierstücke op. 11 nie öffentlich gespielt. Ich selbst hätte auch gerne diese GewißheitGewissheit, die mir große Freude machte. Darf ich Sie um eine derartige Erklärung sehr bitten.

Ich hoffe recht bald von Ihnen Nachricht zu haben und empfehle mich mit herzlicher Hoch achtung und Verehrung

Ihr ganz ergebener Arnold Schönberg DeutscheStaatsbibliothekBerlin Nachlaß Busoni