Seminar «Der Nachlass Ferruccio Busonis in der Staatsbibliothek zu Berlin: digitale Textedition ausgewählter Quellen mit TEI»
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Was sucht Ihr? Sagt! Und was erwartet Ihr?Ich wei es nicht; ich will das Unbekannte! ss ß Was mir bekannt, ist unbegrenzt. Ich will darüber noch. Mir fehlt das letzte Wort.
Der literarischen Gestaltung nach recht locker
aneinander
heit das Ergebnis von lange und langsam gereiften
Überzeugungen.
In ihnen wird ein grö
Unbefangenheit aufgestellt, ohne dass der Schlüssel zu
seiner letzten Lösung gegeben wird; weil das Problem
auf Menschenalter hinaus nicht – wenn überhaupt –
lösbar ist.
Aber es begreift in sich eine unaufgezählte Reihe
minderer Probleme, auf die ich das Nachdenken
jenigen lenke, die es betrifft. Denn recht lange schon
hat man in der Musik ernstlichem Suchen nicht sich
hingegeben.
Wohl entsteht zu jeder Zeit Geniales und Be
wunderungswertes
erste Reihe, die vorüberziehenden Fahnenträger freudig
zu begrü
mannigfachen Wege, die beschritten werden
schöne Weiten führen, aber nicht – nach oben.
Der Geist eines Kunstwerkes, das Ma
Empfindung, das Menschliche, das in ihm ist – sie
bleiben durch wechselnde Zeiten unverändert an Wert
die Form
ausdrückten
Entstehens über sie ausgoss, sie sind vergänglich und
rasch alternd.
Geist und Empfindung bewahren ihre Art, so im
Kunstwerk wie im Menschen; technische Errungen
schaften bewundert man, doch sie werden überholt
oder der Geschmack wendet sich von ihnen gesättigt
ab. –
Die vergänglichen Eigenschaften machen das
bewahren es davor, ModernenAlten
Schlechtes, Echtes und Unechtes. Eigentlich Modernes
existiert nicht – nur früher oder später Entstandenes;
länger blühend, oder schneller welkend. Immer gab
es Modernes, und immer Altes. –
Die Kunstformen sind um
sie sich an das Wesen der einzelnen Kunstgattung
halten, je reiner sie sich in ihren natürlichen Mitteln
und Zielen bewahren.
Die Plastik verzichtet auf den Ausdruck der mensch
lichen Pupille und auf die Farben; die Malerei degradi
wenn sie die darstellende Fläche verlässt und sich zur
Theaterdekoration oder zum Panoramabild komplizi
die Architektur
nach oben zu schreiten muss, durch statische Not
wendigkeit vorgeschrieben; Fenster und Dach geben
notgedrungen die mittlere und abschlie
staltung; diese Bedingungen sind an ihr bleibend und
unverletzbar; –
die Dichtung gebietet über den abstrakten
Gedanken, den sie in Worte kleidet; sie reicht
hängigkeit voraus:
aber alle Künste, Mittel und Formen erzielen
beständig das Eine, nämlich die Abbildung der
Natur und die Wiedergabe der menschlichen
Empfindungen.
Architektur, Plastik, Dichtung und Malerei sind
Dessenungeachtet können und werden an ihnen Geschmack
alte und reife Künste; ihre Begriffe sind gefestigt und
ihre Ziele sicher geworden; sie haben durch Jahr
tausende den Weg gefunden und beschreiben, wie ein
Planet, regelmä
und Eigenart sich immer wieder verjüngen und erneuern.
Ihnen gegenüber ist die Tonkunst das Kind, das
zwar gehen gelernt hat
Es ist eine jungfräuliche Kunst, die noch
und gelitten hat.
Sie ist sich selbst noch nicht bewusst dessen, was
sie kleidet, der Vorzüge, die sie besitzt
keiten, die in ihr schlummern:
Wunderkind, das schon viel Schönes bieten kann, schon
völlig ausgereift gehalten werden.
Die Musik als Kunst, die sogenannte abendländische
Musik, ist kaum vierhundert Jahre alt, sie lebt im Zu
stande der Entwicklung; vielleicht im allerersten Stadium
einer noch unabsehbaren Entwicklung
sprechen von Klassikern und geheiligten Traditionen!
maske, die – durch den Lauf vieler Jahre und die Hände unge
zählter Handwerker gegangen – schließlich ihre Ähnlichkeit mit
dem Original nur mehr erraten lä
Und schon lange sprechen wir davon!
Wir haben Regeln formuliert, Prinzipien aufgestellt,
Gesetze vorgeschrieben – – – wir wenden die Ge
setze der Erwachsenen auf ein Kind an, das die Ver
antwortung noch nicht kennt!
So jung es ist, dieses Kind, eine strahlende Eigen
schaft ist an ihm schon erkennbar, die es vor allen
seinen älteren Geschwistern auszeichnet. Und diese
wundersame Eigenschaft wollen die Gesetzgeber nicht
sehen, weil ihre Gesetze sonst über den Haufen ge
worfen würden. Das Kind – es schwebt! Es
berührt nicht die Erde mit seinen Fü
der Schwere unterworfen. Es ist fast unkörperlich.
Seine Materie ist durchsichtig. Es ist tönende Luft.
Es ist fast die Natur selbst. Es ist – frei.
Freiheit ist aber
völlig begriffen noch gänzlich empfunden haben. Sie
können sie nicht erkennen noch anerkennen.
Sie verleugnen die Bestimmung dieses Kindes und
hängen ihm Gewichte an. Das schwebende Wesen
muss unanstö
es hüpfen darf – indessen es seine Lust wäre
Linie des Regenbogens zu folgen und mit den Wolken
Sonnenstrahlen zu brechen.
Frei ist die Tonkunst geboren und frei zu werden
ihre Bestimmung. Sie wird der vollständigste aller
Natur-Wi
ihrer Unmaterialität. Selbst das dichterische Wort steht
ihr an Unkörperlichkeit nach; sie kann sich zusammen
das lebhafteste Stürmen sein; sie hat die höchsten
Höhen, die Menschen wahrnehmbar sind – welche
andere Kunst hat das? –
die menschliche Brust mit jener Intensität, die vom
Sie gibt ein Temperament wieder, ohne es zu
beschreiben, mit der Beweglichkeit der Seele, mit der
Lebendigkeit der aufeinanderfolgenden Momente; dort,
wo der Maler oder der Bildhauer nur eine Seite oder
einen Augenblick, eine
der Dichter ein Temperament und dessen Evolutionen
mühsam durch angereihte Worte mitteilt.
Darum sind Darstellung und Beschreibung nicht
das Wesen der Tonkunst; somit sprechen wir die Ne
gation der Programm
Frage nach den Zielen der Tonkunst.
Absolute Musik!
absolute Musik
Gegenstand musikästhetischer Diskurse des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Wesentlich geprägt wurde die Formulierung 1854 durch
meinen, ist vielleicht das Entfernteste vom Absoluten
in der Musik. Absolute Musik ist ein Formenspiel
ohne dichterisches Programm, wobei die Form die
Hauptsache sein soll. Aber gerade die Form steht der
absoluten Musik entgegengesetzt, die doch den gött
lichen Vorzug erhielt
dingungen der Materie frei zu sein. Auf dem Bilde
endet die Darstellung eines Sonnenunterganges mit
dem Rahmen; die unbegrenzte Naturerscheinung erhält
eine viereckige Abgrenzung; die einmal gewählte Zeich
nung der Wolke steht für immer unveränderlich da.
Die Musik kann sich erhellen, sich verdunkeln, sich
verschieben und endlich verhauchen wie die Himmels
erscheinung selbst
Musiker, diejenigen Töne zu verwenden, die in dem
Inneren des Menschen auf dieselbe Taste drücken und
der Natur.
Absolute Musik ist dagegen etwas ganz
welches an geordnet aufgestellte Notenpulte erinnert,
an Verhältnis von Tonika und Dominante, an Durch
führungen und Codas.
Ich höre da den zweiten Geiger sich um eine
Quart tiefer abmühen, den gewandteren ersten nach
zuahmen
dahin zu gelangen, wo man schon am Anfang stand.
Diese Musik sollte vielmehr die architektonische hei
oder die symmetrische oder die eingeteilte
stammt daher, dass einzelne Tondichter ihren Geist
und ihre Empfindung in eine solche Form gossen,
weil es ihnen oder der Zeit am nächsten lag. Die
Gesetzgeber haben Geist, Empfindung, die Individu
alität jener Tonsetzer und ihre Zeit mit der symme
trischen Musik identifiziert und schließlich – da sie
weder den Geist, noch die Empfindung, noch die Zeit
wiedergebären konnten, die Form als Symbol behalten
und sie zum Schild, zur Religion erhoben. Die Ton
dichter suchten und fanden diese Form als das geeig
netste Mittel, ihre Gedanken mitzuteilen; sie ent
schwebten – und die Gesetzgeber entdecken und ver
wahren Euphorions auf der Erde zurückgebliebene
Gewänder:
.
Ist’s nicht eigentümlich, dass man vom Kom
ponisten in
man ihn – wenn er wirklich originell wird – der
Formlosigkeit anklagt.
Finder, den gro
Herzen, ihn staunen wir an, an ihm hängen wir; nicht
aber an seiner Toni
führungen und Codas.
Solche Befreiungslust erfüllte einen
romantischen Revolutionsmenschen, dass er einen kleinen
Schritt in der Zurückführung der Musik zu ihrer höheren
Natur aufstieg; einen kleinen Schritt in der gro
Aufgabe, einen gro
Weg. Die ganz absolute Musik hat er nicht erreicht,
aber in einzelnen Augenblicken geahnt, wie in der
Introduktion zur Fuge der
Aber sobald sie die Schwelle des Hauptsatzes
beschreiten, wird ihre Haltung steif und konventionell,
wie die eines Mannes, der in ein Amtszimmer tritt.
Neben Seine Passions
verwandtesten. Seine Orgelfantasien (und nicht die
Fugen) haben unzweifelhaft einen starken Zug von demnicht
bei ihm gestaltet es sich am
keine Vorgänger respekti
und sogar benützte) – und weil ihm die noch junge Er
rungenschaft der temperi
endlich neue Möglichkeiten erstehen lie
Darum sind Als die charakteristischen Merkmale von
Persönlichkeit möchte ich nennen: den dichterischen Schwung,
die starke menschliche Empfindung (aus welcher seine revolu
tionäre Gesinnung springt) und eine Vorverkündung des modernen
Nervosismus. Diese Merkmale sind gewiss jenen eines
entgegen
Andeutung einer grö
ist. (Man vergleiche den nächstfolgenden Absatz.)Anfang
aufzufassen und nicht als unzuübertreffende Abge
schlossenheiten. Unübertrefflich werden wahrscheinlich
ihr Geist und ihre Empfindung bleiben; und das be
stätigt wiederum das zu Beginn dieser Zeilen
Nämlich, dass die Empfindung und der Geist durch
den Wechsel der Zeiten an Wert nichts einbü
und dass
jederzeit über
Was noch überstiegen werden soll, ist ihre Aus
drucksform und ihre Freiheit.
Riese, der im Orchesterklang den irdischen Horizont
streifte, der die Ausdrucksform zwar steigerte, aber in
ein System brachte (Musikdrama, Deklamation, Leit
motiv)
Seine Kategorie beginnt und endet mit ihm selbst;
vorerst
Aufgabe derart war, dass sie von einem Menschen
allein bewältigt werden konnte.
E
wie ich einmal von
zurückgelegt werden. Sie mögen – wie
Weltsystem – nur einen Kreis bilden; dieser ist aber
von solchen Dimensionen, dass der Teil, den wir von
ihm sehen
Kreis überblicken wir vollständig. – Ein Kreis im
gro
Der Name
Sie ist als ein Gegensatz zu der sogenannten
Musik aufgestellt worden
so versteinert, dass selbst die Verständigen sich an den
einen oder den anderen Glauben halten, ohne eine
dritte, au
keit
M
genannte. Anstatt architektonischer und symmetrischer
Formeln, anstatt der Toni
hat sie das bindende dichterische
sophische Programm, diese Schiene, sich angeschnürt.
Jedes Motiv – so will es mir scheinen – enthält
wie ein Samen
Pflanzen
Form, Blättern, Blüten, Früchten, Wuchs und Farben
von»– – –
thématiques
sont innombrables, mais qui, sitôt les th
Selbst ein und dieselbe Pflanzengattung wächst
an Ausdehnung, Gestalt und Kraft
selbständig geartet. So liegt in jedem Motiv schon
seine vollgereifte Form vorbestimmt; jedes einzelne
muss sich anders entfalten, doch jedes folgt darin der
Notwendigkeit der ewigen Harmonie. Diese Form
bleibt unzerstörbar, doch niemals sich gleich.
Das Motiv des
hat die nämlichen Bedingungen in sich; es mu
– schon bei seiner nächsten Entwicklungsphase –
sich nicht nach dem eigenen Gesetz, sondern nach
dem des
Dergestalt, gleich in der ersten Bildung aus dem natur
gesetzlichen Wege gebracht, gelangt es schließlich zu
einem ganz unerwarteten Gipfel; wohin es nicht seine
Organisation, sondern das Programm, die Handlung,
die philosophische Idee absichtlich geführt.
Und wie primitiv mu
gibt es nicht mi
– sie haben die Veranlassung zu dem ganzen Prinzip
gegeben –
einen ganz geringen Teil der Tonkunst ausmachen. Das
Klanges
zu Schall, bei Nachahmung von Naturgeräuschen:
und die Tierlaute; und schon weniger wahrnehmbar,
symbolisch, die dem Gesichtssinn entnommenen Nach
bildungen
Vogelflug; nur durch Übertragung des reflektierenden
Gehirns verständlich: das Trompetensignal als krieger
isches Symbol, die Schalmei als ländliches Schild, der
Marschrhythmus in der Bedeutung des Schreitens, der
Choral als Träger der religiösen Empfindung. Zählen
Instrumente, National-Weisen – zum
wir die Rüstkammer der Programm
besichtigt. Bewegung und Ruhe, Moll und Dur, Hoch
und Tief in ihrer herkömmlichen Bedeutung ergänzen
das Inventar. Das sind gut verwendbare Nebenhilfs
mittel in einem gro
ebenso wenig Musik, als Wachsfiguren Monumente zu
nennen sind.
Und was kann schlie
kleinen Vorganges auf Erden, der Bericht über einen
ärgerlichen Nachbar
den Stube oder im angrenzenden Weltteile – mit
jener Musik, die durch das Weltall zieht, gemeinsam
haben?
Wohl ist es der Musik gegeben
Gemütszustände schwingen zu lassen: Angst (Leporello),
Beklemmung, Erstarkung, Ermattung
Quartette
heit, Ermunterung, Härte, Weichheit, Aufregung, Be
ruhigung, das Überraschende, das Erwartungsvolle, und
mehr; ebenso den inneren Wi
eignisse, der in jenen Gemütsstimmungen enthalten
ist. Nicht aber den Beweggrund jener Seelenregungen
selbst: nicht die Freude über eine beseitigte Gefahr,
nicht die Gefahr oder die Art der Gefahr, welche die
Angst hervorruft; wohl einen Leidenschaftszustand, aber
wiederum nicht die psychische Gattung dieser Leiden
schaft, ob Neid oder Eifersucht; ebenso vergeblich ist
es, moralische Eigenschaften, Eitelkeit, Klugheit in Töne
umzusetzen, oder gar abstrakte Begriffe, wie Wahrheit
und Gerechtigkeit, durch sie aussprechen zu wollen.
Könnte man denken, wie ein armer, doch zufriedener
heit, der seelische Teil, kann zu Musik werden; wo
bleibt aber die Armut, das ethische Problem, das hier
wichtig war: zwar arm, jedoch zufrieden
daher, dass arm
eine Form irdischer und gesellschaft
licher Zustände ist, die in der ewigen Harmonie nicht
zu finden ist. Musik ist aber ein Teil des schwingen
den Weltalls.
Daran kann ich wohl manche Nebenbetrach
tung knüpfen: Der grö
leidet an dem Fehler, dass sie die Vorgänge, die sich
auf der Bühne abspielen, wiederholen will, anstatt ihrer
eigentlichen Aufgabe nachzugehen, den Seelenzustand
der handelnden Personen
tragen. Wenn die Bühne die Illusion eines Gewitters
vortäuscht, so ist dieses Ereignis durch das Auge er
schöpfend wahrgenommen. Fast alle Komponisten
bemühen sich jedoch, das Gewitter in Tönen zu be
schreiben, welches nicht nur eine unnötige und
schwächere Wiederholung, sondern zugleich
säumnis ihrer Aufgabe ist. Die Person auf der Bühne
wird entweder von dem Gewitter seelisch beeinflusst
oder ihr Gemüt verweilt infolge von Gedanken, die
es stärker in Anspruch nehmen, unbeirrt. Das Gewitter
ist sichtbar und hörbar ohne Hilfe der Musik; was
aber in der Seele des Menschen währenddessen vorgeht,
das Unsichtbare und Unhörbare, das soll die Musik
verständlich machen.
Wiederum gibt es
der Bühne, um die sich die Musik nicht zu kümmern
braucht. Nehmen wir die theatralische Situation,
entfernt und dem Auge entschwindet, indessen im
Vordergrund ein schweigsamer, erbitterter Zweikampf
ausgefochten wird. Hier wird die Musik die dem
Auge nicht mehr erreichbare lustige Gesellschaft durch
den fortzusetzenden Gesang gegenwärtig halten müssen;
was die beiden Vorderen treiben und dabei empfinden
Musik darf, dramatisch gesprochen, nicht sich daran
bet
Für bedingt gerechtfertigt halte ich den Modus
der alten Oper, welche die durch eine dramatisch-
bewegte S
schlossenen Stücke zusammenfasste und ausklingen
lie
dramatischen Gang der Handlung, von der Musik
mehr oder weniger dürftig re
dem Ruhepunkt angelangt
sitz wieder ein. Das ist weniger äu
es jetzt glauben machen will. Wieder war es aber
die verknöcherte Form der
Unwahrheit des Ausdrucks und zum Verfall führte.
Der Vortrag in der Musik stammt aus jenen
freien Höhen, aus welchen die Tonkunst selbst herab
stieg. Wo ihr droht, irdisch zu werden, hat er sie
zu heben und ihr zu ihreschwebenden
Zustand zu verhelfen.
Die Notation, die Aufschreibung, von Musik
stücken ist zuerst ein ingeniöser Behelf, eine Improvi
sation festzuhalten, um sie wiedererstehen zu lassen.
Jene verhält sich aber zu dieser wie das Porträt zum
lebendigen Modell. Der Vortragende hat die Starrheit
der Zeichen wieder aufzulösen und in Bewegung
Die Gesetzgeber aber verlangen, dass der Vor
tragende die Starrheit der Zeichen wiedergibt
erachten die Wiedergabe für um
mehr sie sich an die Zeichen hält.
Was der Tonsetzer Wie sehr die Notation den St Dieses merkwürdigen Mannes Gehirnvorstellungen, die sich
Die Schleier der Mystik, das innere Klingen der Natur, die
notgedrungen von seiner
Inspiration durch die Zeichen einbü
die Fantasie fesselt, wie aus ihr die
der Form der
zeigt sich recht eindringlich, das rächt sich in tragischer Weise
an
einfällt.
in das Traumhafte verloren und im Trans
wie seine Schriften in oft unnachahmlicher Weise dartun, hätten
– so würde man folgern – in der an sich traumhaften und
trans
und Wirkung finden müssen.
Schauer des Übernatürlichen, die dämmerigen Unbestimmtheiten
Wort schon so eindrucksvoll schilderte, das hätte er – man
sollte denken – durch die Musik erst völlig lebendig erstehen
lassen. Man vergleiche dagegen
Werk mit der schwächsten seiner literarischen Produktionen
man wird mit Trauer wahrnehmen, wie ein übernommenes System
von Taktarten, Perioden und Tonarten – zu dem noch der land
läufige Opernst
einen Philister machen konnte. – Wie aber ein anderes Ideal der
Musik ihm vorschwebte, entnehmen wir aus vielen und oft aus
gezeichneten Bemerkungen des Schriftstellers selbst.
der Vortragende durch seine eigene wiederherstellen.
Den Gesetzgebern sind die Zeichen selbst das
wichtigste, sie werden es ihnen mehr und mehr; die
neue Tonkunst wird aus den alten Zeichen abgeleitet
– sie bedeuten nun die Tonkunst selbst.
Läge es nun in der Macht der Gesetzgeber
müsste ein und dasselbe Tonstück stets in ein und
demselben Zeitmaß erklingen, so
unter welchen Bedingungen es auch gespielt würde.
Es ist aber nicht möglich, die schwebende
sive Natur des göttlichen Kindes widersetzt sich; sie
fordert das Gegenteil. Jeder Tag beginnt anders als
Große Künstler spielen ihre eigenen Werke immer
wieder verschieden, gestalten sie im Augenblicke um,
beschleunigen und halten zurück – wie sie es nicht
in Zeichen umsetzen konnten –
gegebenen Verhältnissen jener ewigen Harmonie
.
Da wird der Gesetzgeber unwillig und verweist
den Schöpfer auf dessen eigene Zeichen. So, wie es
heute steht, behält der Gesetzgeber recht.
tion: gegenwärtig ein recht missverstandener
schimpflicher Begriff. Die häufige Opposition
mit
oft unvernünftige Kritik in mir hervorrief, veranlassten
mich zum Versuch, über diesen Punkt Klarheit zu
gewinnen. Was ich endgültig darüber denke, ist:
Jede Notation ist schon Trans
Einfalls. Mit dem Augenblick
bemächtigt
Die Absicht
die Wahl von Taktart und Tonart. Form und Klang
mittel, für welche der Komponist sich entscheiden mu
bestimmen mehr und mehr den Weg und die Grenzen.
Es ist ähnlich wie mit dem Menschen. Nackt
und mit noch unbestimmbaren Neigungen geboren,
entschließt er sich, oder wird er in einem gegebenen
Augenblick zum Entschlu
zu wählen. Mag auch vom Einfall oder vom Menschen
manches Originale, das unverwüstlich ist, weiter be
stehen: sie sind doch von dem Augenblick des Ent
schlu
Der Einfall wird zu einer Sonate
der Mensch zum Soldaten oder Priester. Das ist ein
Arrangement des Originals. Von dieser ersten zu einer
zweiten Trans
kurz und unwichtig. Doch wird im Allgemeinen nur
von der
man, da
nicht zerstört, also ein
entsteht. –
Auch der Vortrag eines Werkes ist eine Trans
tion, und auch dieser kann – er mag noch so frei
sich geb
schaffen.
– Denn das musikalische Kunstwerk besteht, vor
seinem Ertönen und nachdem es vorübergeklungen,
ganz und unversehrt da. Es ist zugleich in und
au
greifbare Vorstellung des sonst ungreifbaren Begriffes
von der Idealität der Zeit geben kann.
Im Übrigen muten die meisten Klavier
sitionen
an; die meisten
Übertragungen vom Klavier – und sind’s in gewisser
Weise auch. –
Merkwürdigerweise steht bei den
TVariationenform in gro
über ein fremdes Thema aufgebaut ist – eine ganze
Reihe von Bearbeitungen gibt
So gilt die Bearbeitung nicht, weil sie an dem
Original ändert; und es gilt die Veränderung, ob
wohl sie das Original bearbeitet.
Die einzige Art Menschen, die man
angehört
sich in dieser Sinn-Übertragung in keiner anderen
Sprache. Es ist ein Begriff
hört und nicht der allgemeinen Kultur, und seine Be
zeichnung ist falsch und unübersetzbar.
ist von Musik hergeleitet, wie
und
ist das dasselbe
der physikalisch
und Intervallen tönt. Ein Schrank kann
sein, wenn er ein musikalisch nennen
sollte, wären die Sänger; weil sie selbst erklingen können. In
derselben Weise könnte ein Clown, der durch einen Trick Töne
von sich gibt, sobald man ihn berührt, ein nachgemachter
musikalischer Mensch heißen.
Meine Verse sind zu musikalisch, als da
, sagte mir einmal
in Musik gesetzt werden könnten
von einem klingt.
In der angewandten und fast ausschlie
brauchten deutschen Bedeutung
Mensch ein solcher, der dadurch Sinn für Musik be
kundet, daTechnische dieser Kunst wohl
unterscheidet und empfindet. Unter Technischem ver
stehe ich hier wieder den R
Intonation, die Stimmführung und die Thematik. Je
mehr Feinheiten er darin zu hören oder wiederzugeben
versteht, für ummusikalischer wird er gehalten.
Bei dem großen Gewicht, das man auf diese Be
standteile der Tonkunst legt, ist selbstverständlich das
Demnach mü
spielt
man aber mit
herrschung des Instruments meint, so hat man
und
Man ist so weit gegangen, ein Musikstück selbst
Ein Schicksal, das auch mich betroffen hat.
als Diese Kompositionen sind aber so musikalisch
mir einmal ein Geiger von einem vierhändigen Werkchen, das ich
zu unbedeutend fand.
großen Komponisten wie
wäre es nicht in genügendem Maße.
Mein Hund ist
sehr musikalisch
sagen gehört. Sollte der Hund über
ist der stärkste Tadel; er kennzeichnet den damit Be
troffenen und macht ihn zum Geächteten.
In einem Lande wie
musikalische Freuden allgemein ist, wird diese Unter
scheidung überflüssig
findung für Musik nicht im Volke lebt, gibt es Musiker
und Nichtmusiker. Von den Übrigen einige
, oder
beaucoup la musique
.
Nur in
Musik zu empfinden, sondern hauptsächlich sie in
ihren technischen Ausdrucksmitteln zu verstehen und
deren Gesetze einzuhalten.
Tausend Hände halten das schwebende Kind und
bewachen wohlmeinend seine Schritte, da
auffliege
bleibe. Aber es ist noch so jung und ist ewig; die
Zeit seiner Freiheit wird kommen. Wenn es aufhören
wird
Der Schaffende soll kein überliefertes Gesetz auf
Treu und Glauben hinnehmen und sein eigenes Schaffen
jenem gegenüber von vornherein als Ausnahme be
trachten. Er müsste für seinen eigenen Fall ein ent
sprechendes eigenes Gesetz suchen, formen und es,
nach der ersten vollkommenen Anwendung, wieder
zerstören, um nicht selbst bei einem nächsten Werke
in Wiederholungen zu verfallen.
Die Aufgabe des Schaffenden besteht darin, Gesetze
aufzustellen, und nicht
gebenen Gesetzen folgt, hört auf, ein Schaffender
zu sein.
Die Schaffenskraft ist um
hängiger sie von Überlieferungen sich zu machen ver
mag. Aber die Absichtlichkeit im Umgehen der Ge
setze kann nicht Schaffenskraft vortäuschen, noch
weniger erzeugen.
Der echte Schaffende erstrebt im Grunde nur die
Vollendung. Und indem er diese mit seiner In
neues Gesetz.
So eng geworden ist unser Tonkreis, so stereotyp
Eine solche Spielerei unternahm ich einmal mit einem
seine Ausdrucksform, da
kanntes Motiv gibt, auf das nicht ein anderes bekanntes
Motiv passte, so da
gespielt werden könnte. Um nicht mich hier in
Spielereien zu verlieren
Freunde, um scherzeshalber festzustellen, wie viele von den ver
breiteten Musikstücken nach dem Schema des zweiten Themas im
Adagio der
blicken hatten wir an fünfzehn Analogien der verschiedensten
Gattung beisammen, darunter welche niederster Kunst. Und
anderes als jenes
als das Hauptmotiv des
Was in unserer heutigen Tonkunst ihrem Urwesen
am nächsten rückt, sind die Pause und die Fermate.
Große Vortragskünstler, Improvisatoren, wissen auch
dieses Ausdrucks
Maße zu verwerten. Die spannende Stille zwischen
zwei Sätzen, in dieser Umgebung selbst Musik, lä
weiter ahnen, als der bestimmtere, aber deshalb weniger
dehnbare Laut vermag.
wir heute unser Tonsystem
Behelf, etwas von jener ewigen Harmonie festzuhalten;
eine kümmerliche Taschenausgabe jenes en
dischen Werkes; künstliches Licht anstatt Sonne. –
Beleuchtung eines Saales den Mund aufsperren? Sie
tun es niemals über den millionenmal stärkeren Mittags
sonnenschein. –
Und auch hier sind die Zeichen bedeutsamer ge
worden
andeuten können.
Wie wichtig ist doch die
und die da, wo es über
haupt Dissonanzen nicht geben kann!
Wir haben die O
ander entfernte
behelfen mussten, und haben unsere Instrumente so ein
gerichtet, da
dazwischen gelangen können. Namentlich die Tasten
instrumente haben unser Ohr gründlich eingeschult, so
da
als nur im Sinne der Unreinheit. Und die Natur schuf
eine unendliche Abstufung – unendlich! es heute noch?
Die gleichschwebende 12stufige Temperatur, welche be
reits seit ca.1500 theoretisch erörtert, aber erst kurz vor1700
prinipiell aufgestellt wurde (durch c z Andreas Werkmeister )teilt die ,
Otave in zwölf gleiche Teile (Halbtöne, daher c k Zwölfhalbtonsystem )
und gewinnt damit Mittelwerte, welche kein Intervall wirklich
rein, aber alle leidlich brauchbar intonieren.
Temperatur; Busoni zitiert die 5. Auflage (1900), S. 1124.
So haben wir durch
meister in der Kunst, das
reinen, aber leidlich brauchbaren Intervallen gewonnen. Was ist
aber rein und was unrein? Unser Ohr hört ein verstimmtes
Klavier, bei welchem vielleicht
entstanden sind, als unrein an. Das diplomatische Zwölfer-
System ist ein notgedrungener Behelf
die Wahrung seiner Unvollkommenheiten.
Und innerhalb dieser zwölfteiligen O Man nennt es
wir noch eine Folge bestimmter Abstände abgesteckt,
kunst gestellt. Was sagte ich, eine Folge? Zwei
solche Folgen, für jeden Fuß eine, die Dur- und Moll-
Skala. Wenn wir dieselbe Folge von Abständen von
einer anderen der 12 Zwischenstufen aus ansetzen, so
gibt es eine neue Tonart, und sogar eine fremde!
Was für ein gewaltsam beschränktes System diese erste
Verworrenheit ergab,
lesen: wir wollen es nicht hier wiederholen.
Wir lehren vierundzwanzig Tonarten, zwölfmal die
beiden Siebenfolgen, aber wir verfügen in der Tat nur
über zwei: die Durtonart und die Molltonart. Die
anderen sind nur Transpositionen. Man will
Liederkomponisten geben ihre eigenen Werke nicht
selten in drei verschiedenen Höhen der Notation her
aus; die Stücke bleiben in allen drei Ausgaben voll
kommen die nämlichen.
Wenn ein bekanntes Gesicht aus dem Fenster sieht,
so gilt es gleich, ob es vom ersten oder vom dritten
Stockwerk herabschaut.
Könnte man eine Gegend, so
um mehrere hundert Meter erhöhen oder vertiefen, das
noch gewinnen.
Auf die beiden Siebenfolgen, die Dur-Tonart und
die Moll-Tonart
– eine Einschränkung fordert die andere.
Man hat jeder der
ter zugesprochen, man hat gelernt und gelehrt
Gegensätze zu hören
Bedeutung von Symbolen erreicht – Dur und Moll –
– Freude und Trauer – Licht und Schatten. Die
harmonischen Symbole haben den Ausdruck der Musik,
von
übermorgen, abgezäunt. Moll wird in derselben Ab
sicht gebraucht und übt dieselbe Wirkung auf uns aus,
heute wie vor zweihundert Jahren. Einen Trauermarsch
kann man heute nicht mehr
einmal für alle schon vorhanden. Selbst der unge
bildet
Trauermarsch – irgend
Selbst der Laie fühlt den Unterschied zwischen einer
Dur- und einer Moll-Sinfonie voraus. Wir werden
von Dur und Moll beherrscht; wir stehen unter zwei
Pantoffeln.
Seltsam
empfindet. Tragen sie doch beide dasselbe Gesicht;
jeweilig heiterer
strich genügt
Übergang vom
mühelos – geschieht er oft und rasch, so beginnen
die
Erkennen wir abervierundzwanzig
Tonarten
zwei sind, so gelangen wir ungezwungen zum Bewu
sein der Einheit unseres Tonartensystems. Die
Begriffe von verwandt und fremd fallen ab – und
damit die ganze verwickelte Theorie von Graden und
Verhältnissen. Wir haben eine einzige Tonart.
Aber sie ist sehr dürftiger Art.
Einheit der Tonart.
– Sie meinen wohl
sind der Sonnenstrahl und seine Zerlegung in Farben?
Nein, nicht das kann ich meinen. Denn unser
ganzes Ton-
Gesam
zerlegten Strahls jener Sonne
So
Trägheit in des Menschen Weise und Wesen liegen –
so sehr sind Energie und Opposition gegen Bestehen
des die Eigenschaften alles Lebendigen. Die Natur
hat ihre Kniffe und überführt die Menschen, die gegen
Fortschritt und
die Natur schreitet beständig fort und ändert unablä
aber in so gleichmäßiger und unwahrnehmbarer Be
wegung, da
der weitere Rückblick zeigt ihnen das Überraschende,
da
Deshalb erregt der
Menschen aller Zeiten, weil seine
vermittelt und vor
Der Reformator ist – im Vergleich zur Natur – un
Änderungen erst dann Gültigkeit erlangen, wenn die
Zeit den eigenmächtig vollführten Sprung wieder auf
ihre feine
es Fälle, wo der Reformator mit der Zeit gleichen
Schritt ging, indessen die Übrigen zurückblieben. Und
da mu
Sprung über die versäumte Strecke zu springen. Ich
glaube, da
positionsverhältnis, da
solchen Fall von Zurückgebliebenheit darstellt.
Da
Intervalle der Siebenfolge noch anders geordnet (gradui
werden können, ist aus vereinzelten Momenten bei
neuerdings bei
bei
und die Sehnsucht und der begabte Instinkt sprechen
daraus. Doch scheint’s mir nicht, da
und geordnete Vorstellung dieser erhöhten Ausdrucks
mittel in ihnen sich geformt habe.
Ich habe den Versuch gemacht, alle Möglichkeiten
der Abstufung der Siebenfolge zu gewinnen
gelang mir, durch Erniedrigung und Erhöhung der
Intervalle 113 verschiedene Skalen festzustellen.
Diese 113 Skalen (innerhalb der Oktave C–C) be
greifen den größten Teil der bekannten
außerdem aber eine Reihe neuer Tonarten
artigem Charakter. Damit ist aber der Schatz nicht
erschöpft, denn die Transposition
dieser 113 steht uns ebenfalls noch offen
die Vermischung zweier solcher Tonarten in Harmonie
und Melodie.
Die Skala c
des
es
fes
ges
as
b
c klingt schon
bedeutend anders
c als ihren Grundton annimmt. Legt man ihr noch
den gewöhnlichen C-
so ergibt sich eine neue harmonische Empfindung.
Man höre aber dieselbe Tonleiter abwechselnd vom
wird sich der angenehmsten Überraschung über den
fremdartigen Wohllaut nicht erwehren können.
Wohin aber würde ein Gesetzgeber die Tonfolgen
c
des
es
fes
g
a
h
c //
c
des
es
f
ges
a
h
c //
c
d
es
fes
ges
a
h
c //
c
des
e
f
ges
a
b
c //
oder gar: c
d
es
fes
g
ais
h
c //
c
d
es
fes
gis
a
h
c //
c
des
es
fis
gis
a
b
c einreihen mögen?
Welche Reichtümer sich damit für den melodischen
und harmonischen Ausdruck dem Ohre öffnen, ist nicht
sogleich zu übersehen; eine Menge neuer Möglichkeiten
ist aber zweifellos anzunehmen und auf den ersten
Blick erkennbar.
Mit dieser Darstellung dürfte die Einheit aller Ton
arten endg
Kaleidoskopisches Durcheinanderschütteln von zwölf
Halbtönen in der Drei-Spiegel
der Empfindung und der Intention: das Wesen der
heutigen Harmonie.
Der heutigen Harmonie und nicht mehr auf
lange: denn alles verkündet eine Umwälzung und einen
nächsten Schritt zu jener
wir uns noch einmal, da
Oktave unendlich ist, und trachten wir, der Unendlich
keit um ein Weniges uns zu nähern. Der Drittelton
überhören noch immer seine Meldung. Wer, wie ich
es get
und – sei es mit der Kehle oder auf einer Geige –
zwischen einem Ganzton zwei gleichmäßig abstehende
Zwischentöne einschaltete, das Ohr und das Treffen
übte, der wird zur Einsicht gelangt sein, da
töne vollkommen selbständige Intervalle von ausge
prägtem Charakter sind, die mit verstimmten Halbtönen
nicht zu verwechseln sind. Es ist eine verfeinerte
Chromatik, die uns vorläufig auf der ganztönigen Skala
zu basi
ein, so verleugneten wir die Halbtöne, verlören die
lust würde stärker empfunden
eines
Es ist aber kein Grund ersichtlich, seinetwegen
mit den Halbtönen aufzuräumen. Behalten wir zu jedem
Ganzton einen Halbton, so erhalten wir eine zweite
Reihe von Ganztönen, die um einen halben Ton höher
steht
Ganztönen in Drittelteilen ein, dann ergibt sich zu
jedem Drittelton der unteren Reihe ein entsprechender
Halbton in der oberen.
Somit ist eigentlich ein Sechsteltonsystem ent
standen, und da
werden, darauf können wir vertrauen. Das Tonsystem,
das ich eben entwerfe, soll aber vorerst das Gehör mit
Dritteltönen füllen, ohne auf die Halbtöne zu verzichten.
Um es zusammen
zwei Reihen Dritteltöne, von
Ton entfernt, auf; oder: dreimal die übliche 12
Reihe im Abstande von je einem drittel Ton.
Nennen wir, um sie irgendwie zu unterscheiden,
den ersten Ton C und die beiden nächsten Dritteltöne
Cis und Des; den ersten Halbton (klein-)c und seine
Tabelle erklärt alles Fehlende.
Der erste Ausweg zu einer Notation wäre:
zu ziehen und die Linien für die Ganztöne, die Zwischen
rä
Die Frage der Notation halte ich für nebensächlich.
Über diesen trans Eine Reihe solcher Klaviaturen Der Bau des Instrumentes ist außerordentlich umfangreich
Wichtig und drohend ist dagegen die Frage, wie und
worauf diese Töne zu erzeugen sind. Es trifft sich
glücklich, da
satz
Amerika erhalte, welche die Frage in einfacher Weise
löst. Es ist die Mitteilung von
Dynamophone, an extraordinary electrical Invention for producing
scientifically perfect music
Magazine, July 1906. Vol. XXVII, No. 3.
Baker
der Tongebung bei allen Instrumenten
Nachdenken. Material, Indisposition, Temperatur, klimatische
Zustände beeinträchtigen die Zuverlä
Klavierspieler verliert die Macht über den absterbenden Klang der
Saite
Auf der Orgel kann die Empfindung an der festgehaltenen Note
nichts ändern.
welches dem Spieler die absolute Kontrolle über jeden zu
erzeugenden Ton und über dessen Ausdruck gewährte. Er nahm
sich die Theorien
die Verhältnisse der Zahl und der Stärke der Obertöne zum
Grundton den Ausschlag über den Klangcharakter der verschiedenen
Instrumente geben. Demnach konstruierte er zu dem Apparat,
welcher den Grundton schwingen lä
Apparate, von welchen jeder einen der Obertöne erzeugt; und
konnte solche in beliebiger Anordnung und Stärke dem Grundton
zuhäufen. So ist jeder Klang einer mannigfaltigsten Charakteri
sierung fähig; sein Ausdruck auf das empfindlichste dynamisch zu
träglichen Lautmacht zu produzieren. Und weil das Instrument
von einer Klaviatur aus gehandhabt wird, bleibt ihm die Fähigkeit
bewahrt, der Eigenart eines Künstlers zu folgen.
spielt, kann zu einem Orchester zusammengestellt werden.
und kostspielig
zweifelt werden. Zum Vermittler der Schwingungen zwischen
dem elektrischen Strom und der Luft wählte der Erfinder das
Telephon-Diaphragma. Durch diesen glücklichen Einfall ist es
möglich geworden
Drähten verbundenen Plätzen, selbst auf große Entfernungen hin,
die Klänge des Apparates zu versenden; und gelungene Experimente
haben erwiesen, da
noch von der Macht der Töne etwas eingebüßt wird. Der in
Verbindung stehende Raum wird zauberhaft mit Klang erfüllt,
einem wissenschaftlich vollkommenen, niemals versagenden Klang,
unsichtbar, mühelos und unermüdlich. Dem Bericht, dem ich diese
Nachrichten entnehme, sind authentische Photographien des Appa
rates beigegeben, welche jeden Zweifel über die Wirklichkeit
dieser allerdings fast unglaublichen Schöpfung beseitigen. Der
Apparat sieht aus wie ein Maschinenraum.
Apparat konstruiert, welcher es ermöglicht
schen Strom in eine genau berechnete, unalterable An
zahl Schwingungen zu verwandeln. Da die Tonhöhe
von der Zahl der Schwingungen abhängt und der
Apparat auf jede gewünschte Zahl zu
ist durch diesen die unendliche Abstufung der Oktave
einfach das Werk eines Hebels, der mit dem Zeiger eines
Quadranten korrespondiert.
Nur ein gewissenhaftes und langes Experimentieren,
eine fortgesetzte Erziehung des Ohres
ungewohnte Material einer heranwachsenden Generation
und der Kunst gefügig machen.
Welche schöne Hoffnungen und traumhafte Vor
stellungen erwachen für sie! Wer hat nicht schon im
Traume
Traum erlebe? – Nehmen wir es uns doch vor, die Musik
ihrem Urwesen zurück
sie von architektonischen, akustischen und
Dogmen; lassen wir sie reine Erfindung und Empfin
dung sein, in Harmonien, in Formen und Klangfarben
(denn Erfindung und Empfindung sind nicht allein ein
Vorrecht der Melodie); lassen wir sie der Linie des
Regenbogens folgen und mit den Wolken um die
Wette Sonnenstrahlen brechen; sie sei nichts
anderes; ist sie doch tönende Luft und über
In seinem Buche
Gegen die deutsche Musik halte ich mancher
lei Vorsicht für geboten. Gesetzt, daß manBei denNietzsche 1886 (219) :Einer.
Süden liebt, wie ich ihn liebe, als eine große
Schule der Genesung, im Geistigsten und Sinn
lichsten, als eine unbändige Sonnenfülle und
Sonnenverklärung, welche sich über ein selbst
herrliches, an sich glaubendes Dasein breitet: nun,
ein solcher wird sich etwas vor der deutschen
Musik in Acht nehmen lernen, weil sie, indem sie
seinen Geschmack zurückverdirbt, ihm die Gesund
heit mit zurückverdirbt.Ein solcher Südländer, nicht der Abkunft,
sondern dem GlaubenBei nach, muß falls er von dermit Hervorhebung. Nietzsche 1886 (220) Glauben
Zukunft der Musik träumt, auch von einer Erlösung
der Musik vom Norden träumen und das Vorspiel
einer tieferen, mächtigeren, vielleicht böseren und
geheimnisvolleren Musik in seinen Ohren haben,
einer überdeutschen Musik, welche vor dem An
blick des blauen, wollüstigen Meeres und der
mittelländischen Himmelshelle nicht verklingt,
vergilbt, verblaßt, wie es alle deutsche Musik
tut, einer übereuropäischen Musik, die noch vor
den braunen Sonnenuntergängen der Wüste Recht
behält, deren Seele mit der Palme verwandt ist
und unter großen, schönen, einsamen Raubtieren
heimisch zu sein und zu schweifen versteht. – –Ich könnte mir eine Musik denken, deren
seltenster Zauber darin bestände, daß sie vonGut und Böse nichts mehr wüßte, nur daß Hier macht sich
Nietzsche eines Widerspruchs schuldig;
träumt er vorher von einer vielleichtböseren Musik, so denkt
er sich jetzt eine Musik, dievon Gut und Böse nichts mehr; – doch war mir bei der Anführung, um den letzteren
wüte ß ss
Sinn zu tun.
vielleicht irgend ein Schiffer-Heimweh, irgend welche
goldne Schatten und zärtliche Schwächen hier
und da über sie hinwegliefen: eine Kunst, welche
von großer Ferne her die Farben einer unter
gehenden, fast unverständlich gewordenenmoraWelt zu sich flüchten sähe, und die
lischen
gastfreundlich und tief genug zum Empfang
solcher späten Flüchtlinge wäre. –
Und
zu Musik-Empfindung werden, wenn er in
Weder auf dem See, noch an den Bergen,Wird diese Musik jemals erreicht?
noch am Himmel eine einzige gerade Linie, eine
einzige ungemischte Farbe, ein einziger Ruhepunkt
– überall Bewegung, Unregelmäßigkeit, Willkür,
Mannigfaltigkeit, unaufhörliches Ineinanderfließen
von Schatten und Linien, und in Allem die Ruhe,
Weichheit, Harmonie und Notwendigkeit des
Schönen.
Nicht alle erreichen das Nirwana; aber Jener,
der von Anfang an begabt, alles kennen lernt
was man kennen soll, alles durchlebt, was man
durchleben soll, verläßt, was man verlassen soll,
entwickelt, was man entwickeln soll, verwirklicht,
was man verwirklichen soll, der gelangt zumNirwana
Wie auf Verabredung schreibt mir dieser Tage
.... laissant de côté les contingences
–
et les petitesses de la vie pour regarder constamment vers
un id
permis de se rapprocher.
Ist Nirwana das Reich Ich glaube gelesen zu haben, da
Böseein Weg dahin gewiesen. Bis an
die Pforte. Bis an das Gitter, das Menschen und
Ewigkeit trennt – oder das sich auftut, das ZeitlichMusik. Keine Tonkunst.
Liszt
SymphonieInferno
und Purgatorio
be
schränkte, weil unsere Tonsprache für die Seligkeiten
des Paradieses nicht ausreichte.
Berliner Musikalien Druckerei G. m. b. H.,