Brief von Hans Huber an Ferruccio Busoni <lb/>(Locarno, verm. 05. März 1918) Christian Schaper Ullrich Scheideler Humboldt-Universität zu Berlin
Unter den Linden 6 10099 Berlin Deutschland
Edited by Christian Schaper Ullrich Scheideler Prepared by Maximilian Furthmüller Digitization by Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz
Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Berlin Attribution-NonCommercial-ShareAlike 3.0 Germany (CC BY-NC-SA 3.0 DE) Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften Briefe Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hans Huber Christian Schaper Ullrich Scheideler Deutschland Berlin Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv Nachlass Ferruccio Busoni Mus. Nachl. F. Busoni B II, 2303 Mus.ep. H. Huber 77 (Busoni-Nachl. B II) Kalliope-Verbund DE-611-HS-622228 die Kunde von Ihrer unzeitgemäßen Erkrankung drang von allen Seiten 1 Bogen 4 beschriebene Seiten Der Brief ist gut erhalten. Hand des Absenders Hans Huber, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift. Vermutlich Hand des Absenders Hans Huber, in deutscher Kurrentschrift. Hand des Archivars, der die fragliche Datierung mit Bleistift vorgenommen hat. Hand des Archivars, der die Foliierung mit Bleistift vorgenommen hat. Hand des Archivars, der die ursprüngliche Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat. Hand des Archivars, der die erneute Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Bleistift vorgenommen hat. Hand des Archivars, der die Zuordnung innerhalb des Busoni-Nachlasses mit Rotstift vorgenommen hat. Bibliotheksstempel (rote Tinte) Poststempel (schwarze Tinte) Bibliotheksstempel (blaue Tinte) Deutsche Staatsbibliothek Berlin (Locarno)
Ferruccio Busoni Zürich Scheuchzerstr.Scheuchzerstraße 36.
Huber
(Zurich Brf. Exp.Brief Express -6.III.18.IX-VIII) Nachlaß Busoni B IIMus.ep. H. Huber 77 Mus. Nachl. F. Busoni B II, 2303-Beil.
Der Brief wurde in Locarno verm. am 05. März 1918 verfasst.

Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.

Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.

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Huber, Hans Locarno Busoni, Ferruccio Deutsch Datei als Platzhalter erstellt, Transkription ausstehend. Erstkodierung duchgeführt, Kommentierung sowie Ausarbeitung ausstehend.
Locarno 5/2 18 (? – 5.3.) Mein lieber Freund!

die Kunde von Ihrer unzeitgemäßen ErkrankungVgl. dazu den Brief Busonis an Huber vom 3. März. drang von allen Seiten & Leuten zu mir ins Teßssin! Betrachten Sie das Geschick als eine wahrscheinlich nöthige Ausschaltung der physischen Anstrengungen & als kurze Pause des Unkörperlichen!

Mit der Bekanntschaft Ihres sympathischen Freundes Rubiner verband ich logischerweise auch die Kenntnißsnahme der letzten Tagebücher von Tolstoi. Neben hohen & tiefen Gedanken, die dieser slavwischezarische Prophet niederschreibt, finde ich doch sehr Vvieles, zu dem ich weder einen Anschlußss, noch nur ein sypimples Verhältnißs [1] Mus. ep. H. Huber 77 (Busoni-Nachl. B II) Mus. Nachl. F. Busoni B II, 2303 anbinden möchte. Für mich, der zudem die lyrische Philosophie haßsst, besitzt Tolstoi in seinem Denken zu viel von der Naivität der Alttestamentler oder zu wenig von der Induktionslehre eines Sockratesitem menschlicher gesagt: ich kann das Gefühl des Dilettantischen & Autodidaktischen nicht überwinden. Was, wäre Tolstoi in Deutschland oder in England geboren? Man mußss seine eigene Naivität nicht preisgeben & sich den Werken dieser Rußssen gegenüber ungefähr so gebeaärden, wie ich es einem Schönberg gegenüber thue., zu deßssen letzten Dingen ich mich absolut ablehnend verhalte, so gut mir einige frühere Werke gefallen, weil ich in der Entwicklung des Künstlers keinen Zug ins Große mehr ent decken kann & mich salles Spätere, speckulativ empfunden, anwiedert.

R.Robert Freund schrieb mir vor einiger Zeit zwei Briefe mit ckonkretem, sein Alter mit Dignität behandelndenm Inhalts.Bedauerlicherweise lässt sich weder durch das Findbuch des Huber-Nachlasses noch durch das Nachlassverzeichnis Freunds die erwähnte Korrespondenz zwischen Huber und Freund nachweisen, sodass der dortige Austausch nicht nachvollzogen werden kann. Freund war ein langjähriger Freund Hubers und brachte mehrere seiner Werke als Solist zur Uraufführung (Refardt 1944, S. 24), u. a. die Klavierkonzerte Nr. 2 und 3. Aus Letzterem freute mich namentlich eine prächtige Schätzung Ihrer Kunst, Ihres Gesammmtwerkes & Ihrer Persönlichkeit.Busoni stand selbst in intensivem Austausch mit Freund, wie die 65 Briefe fassende Korrespondenz im Nachlass Busonis erkennen lässt, woraus Auszüge bereits veröffentlicht wurden (vgl. Beaumont 1987). In meiner Antwort betonte ich namentlichvor allen Dingen die Bitte, doch wieder in seine eigentliche Heimat zurückzukehren, in derindem es zu den ersten Regeln der Lebensweisheit gehört, über Fehlendes, namentlich wenn es nicht schwerer wiegt als das Gute, das ja in diesem Falle genügend vorhanden ist, hinwegsehen zu lernen.

Mit meinem symphonischen Oratorium mache ich nur innerlich Fortschritte; vor allen Dingen bin ich jetzt über das Formale sicher; im Kopfe befestige ich das Motivische, der für solche Dinge ein gutes Gedächtnißs einschließt, so daßss ich Werke jahrelang fertig aufbewahren kann. Aus [2] Deutsche Staatsbibliothek Berlin exegetischen Gründen schickte ich den Text noch einmal an einen gelehrten Pater in Soletta, um denselben nach der Vulgata & den liturgischen Büchern einzuschätzen. – Noch eine Frage! Darf ich Ihnen im Januar einige Freude bringende Schüler zu Ihrem pädagogischen Nachmittage in Zürich schicken? – Damit lenke ich wieder ins tägliche Brodtgebiet über, das Brodt, das sogar in der Schweiz je länger je schlechter wird & für das man kein beßsseres Surrogat einsetzen kann, als die Gesundheit, welche ich uns Bbeiden mit Inbrunst herwünsche.

Damit aber noch viele herzliche Grüße Ihr erg.ergebener und inm Treuen Hans Huber