Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.
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Ich vermisste Sie sehr am
letzten Abend
Leitung:
kann so gut verstehen! Alles
verlief gut, dank dem
bereitwilligsten Eifer jedes
Betwar
Erinnerung auserlesenster
Art, wie überhaupt der
deutsche Tiefe sollte man
in meinem
Durch HerrnBusoni , der hier einen Meisterkurs abhielt, ist unsere Musiksaison gleich von Anfang an kräftig belebt worden. […] HerrBusoni ist einer der allergrößten Könner unter den Pianisten der Gegenwart. […] [A]uch in bezug auf Anschlagsnüancen ist er ein Krösus, es lebt ein seltener Tonsinn in dem Künstler. Um so mehr mußte es überraschen, daß er beim Vortrag der großen MeisterBach ,Beethoven undChopin einer Auffassung huldigt, die das, was man als die elementarste Vorbedingung betrachtet, einfach in den Wind schlägt. Er wendet ein Rubatospiel an, das das rhythmische Bild einzelner Takte vollständig verändert, den Rhythmus willkürlich verzerrt. Besonders störend war das z. B. im zweiten Thema des ersten Satzes derWaldsteinsonate , im Adagio derHammerklaviersonate vonBeethoven , im Adagio derC-Dur-Toccata vonBach und beiChopin fast überall. Es ist ganz natürlich und wohlbegründet, daß man das Tempo zuweilen etwas beschleunigt oder zurückhält, aber innerhalb der einzelnen Takte rhythmische Änderungen vorzunehmen, das wird kein deutscher Musiker gutheißen. Auch beiChopin nicht. Es ist gar nicht einmal nötig, daran zu erinnern, daßChopin einmal gesagt hat,die linke Hand soll wie dein Kapellmeister sein, nicht auf einen Augenblick darf sie unsicher und wankend sein, und daß alle großen Meister auf strenge Einhaltung des Rhythmus hielten.Mozart z. B. schreibt einmal, daß erimmer accurat im Takte bleibe. Für mein Gefühl verdirbt HerrBusoni sogar seine eigenen Kompositionen durch seine rhythmischen Rückungen. Seine Sonatina [unklar, obK 159 oderK 257 ], die er im Konservatorium spielte, fängt rhythmisch interessant an, die höheren Feinheiten bestehen hier wie überall in den Kontrasten von Haupt- und Nebenstimmen; sie werden vollständig zerstört, wenn man die Hauptstimme willkürlich ändert. Der Rhythmus in der Musik ist was die Proportionen in der bildenden Kunst. Wenn HerrBusoni Architekt wäre, möchte ich nicht in einem seiner Häuser wohnen, ich fürchtete, daß es zusammenstürzte. Ähnliche Gedanken hat man oft bei seinem Spiel. Man steht vor einem Rätsel, wie kann ein so bedeutender Könner einer solchen Manier huldigen? Seine große Komposition, seinConcerto , hat die Auflösung gebracht. HerrBusoni ist augenscheinlich seinem Wesen nach ganz Italiener geblieben. Man hat namentlich in der bildenden Kunst schon oft auf den Unterschied zwischen Deutsch und Italienisch hingewiesen. Im Gegensatz zu den südländischen Kunstwerken liegt bei den Deutschen der Gehalt nicht an der Oberfläche, sondern es kommt darauf an, zu erkennen, was dahinter liegt. HerrBusoni scheint das zu suchen, aber er sucht auf falschem Weg. Die Gefühlstiefe vonBach undBeethoven , die romantische Schwärmerei vonChopin scheinen ihm in ihrem Kern verschlossen zu bleiben, oder wenigstens muß die Art, wie er sie durch rhythmische Umwertungen zu heben sucht, entschieden verurteilt werden. […] Er nennt sein großes Werk Concerto. Die italienische Bezeichnung ist treffend gewählt. Man könnte aus den Satzüberschriften und vorausgeschickten Erläuterungen schließen, es handle sich um eine Art Sinfonie mit obligatem Klavier. Das ist aber, wegen des ganz melodisch-homophonen Stils, nicht zutreffend. Der Komponist gibt sich in seinem Werk als Vollblut-Italiener, und das macht es sympathisch. Er wird deshalb nicht trivial, sondern durch des Komponisten eminenten Tonsinn und sein Können ist es durchwegs interessant. Ein naiver Hörer meinte, er habe eine ganze Reihe Theaterszenen an sich vorbeiziehen sehen; es ist italienische Orchestermusik, aber fesselnde und in ihrer Art kunstvolle. Es hat ja wohl einzelne Längen (nach dem ersten Anhören zu schließen), es sind der kadenzierenden Anläufe zu viel, und daß das Ganze ohne Pause weitergeht erschwert die Auffassung, aber es fehlt nicht an wirkungsvollen Kontrasten, eine verschwenderische Fülle von schönen Klangwirkungen ist über das Ganze ausgestreut. Besonders geschickt verwendet der Komponist die Blasinstrumente, namentlich das Blech, effektvoll auch das Schlagzeug. Durch die solistische Mitwirkung des Klaviers sind entschieden neue Klangwirkungen gewonnen. Deutsche Tiefe muß man in demConcerto nicht suchen, aber es ist echt italienisch sinnenfreudige Musik. […]
Wüsste ich nur, was deutsche
Tiefe in der Musik bedeutet.
Ich stehe ganz hilflos!
Ich höre in
große Menschlichkeit, Freiheit
Lebensfreude
(eigentlich italienische Kenn
zeichen), in
Andacht, Grö
Deutsch, ausgesprochen
deutsche Art – wie sie
bei in übergrenzt wird –
Provinzialisi
ist:
Ganz
Und wenn es eine
deutsche Tiefe gäbe, ist
sie denn so wichtig für
die Schätzung eines
Kunstwerkes? Soll der
Künstler nicht über den
Problemen stehen, und
sie tanzen lassen, als ob
er das Weltall zu dirigi
hätte, ganz nach eigenem
Tempo? – Sagen Sie! –
Darf ich mir das
Auftreten noch kurze Zeit
überlegen? – Ich wei
nicht recht, danke aber herz
lich für die sehr