Brief von Ferruccio Busoni an Hans Huber (Zürich, 18. Oktober 1915) Ferruccio Busoni Prepared by Anton Hoffmann Digitization by Basel, Universitätsbibliothek Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Berlin Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften Briefe Briefwechsel Ferruccio Busoni – Hans Huber Christian Schaper Ullrich Scheideler Schweiz Basel Universitätsbibliothek NL 30 : 22:A-H:16 Busoni drückt sein Bedauern über das Verpassen eines Streichquartett-Abends aus, macht Vorschläge bezüglich des Programmes weiterer, von ihm und Huber geplanter musikalischer Veranstaltungen und berichtet von seinen literarischen Präferenzen. a festa finita, post festum 4 Blatt 4 beschriebene Seiten Nur Vorderseiten beschrieben; Briefschluss auf der letzten Seite am linken Rand quer. Der Brief ist gut erhalten. Hand des Absenders Ferruccio Busoni, Brieftext in schwarzer Tinte, in lateinischer Schreibschrift. Hand des Archivars, der die Nummerierung der Seiten mit Bleistift vorgenommen hat. Der Brief wurde in Zürich am 18. Oktober 1915 verfasst. Refardt 1939, S. 9 f.

Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.

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7. Carissimo Maestrone,

a festa finita, post festum, erfuhr ich von dem Schweizer Kammermusikabend des hiesigen Streichquartettes, den ich – zu meinem gelinden AeÄrger – nun versäumt hatte! – Gerne hätte ich dem bedächtigen Weber, dem philosophischen Suter u.und dem naturfreudigen, jüngsten dieser Meister, H. H., nNäheres durch das Gehör erfahren! Ça reviendra, Frz.: Das wird wiederkommen. erhoffen wir’s.

– Danke für den werthvollen Brief, u.und lassen wir dem Liszt- Abend die vorläufig vereinbarte Form. – Für den Bachvortrag kann ich Ihnen was Gutes versprechen. Außer den Goldberg- <lb break="no"/>Variationen, (die Ihr Publikum hoffentlich nicht ganz so vertraulich inne hat, als dass es nicht meine disckrete Bearbeitung hinnähme, oder gar überhörte –) schlage ich (2) noch die Übertragung eines größeren Orgelwerkes, ferner Einiges aus dem <choice><abbr>wohltemp.</abbr><expan>Wohltemperierten</expan></choice> <choice><abbr><choice><orig>C</orig><reg>K</reg></choice>lav.</abbr><reg>Klavier</reg></choice> Die Abreise (Capriccio in B.) Choralvorspiele und noch anderes vor. Sollte die Chaconne, oder die <choice><abbr>Chrom.</abbr><expan>Chromatische</expan></choice> Fantasie, am Platze sein?

(Einem befreundeten Cellisten zu Liebe, habe ich – strange to say! – die <choice><abbr>chrom.</abbr><expan>Chromatische</expan></choice> Fantasie für Violoncell gesetzt. Brechen Sie über diese Vermessenheit nicht den Stab, bis Sie es nicht gehört haben. Es klingt (tönt) nämlich überraschend gut.) —

Von Homer meint Lessing, wenn ihm Etwas an Jenemetwas an jenem nicht gefiele, es läge – so viel hätte er gelernt – nicht an Homer.Wenn ich auch kein Lessing bin, ist deswegen Spitteler ein Homer? Liegt es an meinem Mangel an Jugendlichkeit, oder an seinem? Von Multatuli weiß ich wahrlich Nnichts. Ich schaute in einige Bände (3) dieses Mannes, dessen Pseudonym mir schon nicht ganz geschmack voll vorkam, und fand Sie nicht einladend. Ich liessß Sie, weiter mich dem Instinkt anvertrauend, der mich durch die Literatur seit meiner Kindheit begleitete, liegen.

Ich bin an gewissen großen Erfolgen, selbst in der Zeit empfänglichen Zeit der ersten Jugend, theilnahmslos vorübergegangen. Dazu gab, Gott sei’s geklagt, die Zeit – in die meine Jugend fällt – Veranlassung genug. (Felix Dahn,G. Ebers,Scheffel und Gefährten.) Diese Erfahrungen schließen auch den Schriftsteller R. Wagner ein. – Im Manness Aalter wurde mein Instinkt, durch Kritik, weniger verläßsslich; jetzt fühle ich – wie in vielen anderen Dingen – daß, dass ich auch darin das Wesen meiner Kindheit zurückgewinne. –

Wenn ich Diese Selbsterkenntnisse sind – fürchte ich – Ihnen, der Sie mich im grunde nicht kennen, wenig interessant.

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Verzeihen sie also, das ich mich gehen liessß, und halten Sie’s meiner – – Jugendlichkeit zu Gute. –

Zu den Programmen zurückkehrend, bitte ich sie noch, Ihre Wünsche u.und Vorschläge weiter zu äußern. Die letzten Hefte Bagatellen Beethovens möchte ich in den Plan aufnehmen. Vielleicht ein Variationswerk? Opus 106?Von Chopin spiele ich ziemlich Aalles, die Mazurken u.und Walzer ausgenommen; sehr gern die vierte Ballade, u.und mit Vorliebe die Etüden. –

Ist Ihnen das kraftgenialische Jugendwerk Liszt’s Fantaisie <lb/>romantique sur deux motifs <lb/>suisses bekannt? (Troix morceaux de Salon, Op. 5.) Darin kommt Die Weise vom Heimweh zuerst vor. – Ich habe Heimweh allerwärts, Amerika ausgenommen; warum sollte ich es nicht m auch nach diesem feinem Lande empfinden? Vorläufig empfinde ich heimisches Behagen, zu dem Sie und andere treffliche Confrères Frz.: Kollegen. sehr Vvieles beitragen.

Haben Sie dafür innigen Dank u.und seien Sie verehrungsvoll gegrüsst von Ihrem herzlich ergebenen F. Busoni [Rückseite von Textseite 1, vacat] [Rückseite von Textseite 2, vacat] [Rückseite von Textseite 3, vacat] [Rückseite von Textseite 4, vacat]