Seminar «Der Nachlass Ferruccio Busonis in der Staatsbibliothek zu Berlin: digitale Textedition ausgewählter Quellen mit TEI»
Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit Doppelbindestrichen (⸗).
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ich
vor Allem entschuldigen für etwas, woran ich
nur
Art
hatte schon, als ich die erste Hälfte des vorigen Briefes
schrieb vor, Sie um
vergaß aber daran. Dann nahm ich mir vor,
es in der Nachschrift zu
Schließlich wollte ich diesem langen Brief
noch eine Postkarte folgen lassen – aber ich
vergaß zum
mit ge ange
wiesen, da sie mich stets in Konflikte
bringt. Ich hoffe, Sie nehmen diese Sache nunmehr
nur von dieser Seite und Ihre Verstimmung
ist aus diesem Grund
Nun aber bitte ich Sie recht sehr,b mir
Ihre Transkription
schicken; ich bin wirklich begierig den
„Motivenbericht“ zu Ihrem Verbesserungs-An
trag kennen zu lernen.
Ferner
Ihren in Anbetracht Ihrer berechtigten Verstimmung
wirklich großherzigen dem das eine Stück
und Ihre Paraphrase davon abzudrucken.
sind frische Schwierigkeiten,
nicht weiß, ob wir uns werden einigen können.
Zunächst, wie materiell,
geschehen, e Recht e
heraus dadurch zu werde,
weil mir sonst ein
Dazu hätte ich außerdem die Zustimmung
meines
leicht bekommen könnte. Dann bedrückt
es mich, das ganze Honorar anzunehmen,
wo ja Ihre Bearbeitung ebenfalls Anspruch
geltend machen sollte.
Aber das Wichtigste und Entscheidendste
für mich ist doch die künstlerische Frage
dabei. Und ob wir da einen Ausfweg fin
den werden….?..?
Sie müssen doch sich folgendes vorstellen:
Ich kann doch unmöglich
und daneben
ich es hätte besser machen sollen. Die also zeigt,
unvollkommen ist.
Und ich kann doch unmöglich, derjenigen Öffent
lichkeit, der ich den Glauben beibringen
will, gut, gleichzeitig zeigen
schlecht ist.
Ich dürfte das – aus Selbsterhaltungstrieb –
nicht einmal, wenn ich es selbst glaubte.
In diesem Fall muss ich mein Stück ent
weder vernichten, oder es selbst umarbeiten.
Nun aber – Sie verzeihen meine rückhaltslose Offenheit, wo ich Ihnen die
Ihre nicht übelnehme – ich glaube es absolut
nicht. Ich bin fest überzeugt, dass Sie diesem
Stücken Unrecht
Sie denselben Fehler begehen, den jeder phantasie
volle Kritiker begeht: Sie wollen nicht sich
Und Ihre Motivierung scheint mir auch
ganz unrichtig, wenn Sie
weise auf schon Errungenes Verzicht leistend
Ich glaube nicht an den neuen Wein, den
man in alte Schläuche füllt. Ich habe in der
Kunstgeschichte die entgegengesetzte Beobachtung
gemacht:
Die kontrapunktische Kunst
wenn
die Formenkunst
wenn
Die Einhheit der Zeichnung, die Reichheit des
Details, das sorgfältige Herau
das Untermalen und das Lasurieren, das
Konmponieren im Raum und alles
was die ältere Malkunst au
die Dinge so zu malen, wie sie scheinen
und nicht sind.
Jawohl, wenn eine neue Kunst neue
Ausdrucksmittel sucht und findet, dann
geht zumindest immer fast alles schon Errun
gene zum Teufel: scheinbar wenigstens;
denn ich in der Tat ist es doch drin; aber
auf eine Aandre Artxxxxxxxxx
(das auseinanderzusetzen würde zu weit
führen)
Und nun: Ich
lich auf mehr verzichtet, als auf einen Klavier
klang, als ich
zu folgen und solche Musik zu schreiben.
Ich finde, wenn man verzichtet auf eine
Formenkunst, eine Architektur der Ober
stimme, eine Kunst der motivischen Polyphonie
von einer Höhe desKönnens Vollendung, wie sie in
den letzten Jahrzehnten von
und anderen auch Modernen erreicht wurde – dann
kommt Einem das
sogar als recht wenig vor. Und ich behaupte:
unser tonalen Harmonik, ihre unerhört
ausgewogenen architektonischen Werte und
Ihre
und bewundert, angestaunt haben, wie ich
um, wenn man auf Ssie Verzicht leistet
zu fühlen,
anderen Mitteln gebietet: dagegen erscheinen
klangliche Fragen, deren Reiz kaum im
selbem Maße der Ewigkeit angehörten,
als Kleinigkeiten.
Trotzdem aber stehe ich auch in dieser
Frage auf einem Standpunkt, der es ab
solut nicht nötig
Verzichtenden, Verlierenden angesehen
zu werden. Sähen Sie meine neuen
denen sehen
von dem vollen „Götter- und
Klang“ des
zarter dünner wird. Wie gebrochene
Farbentöne stehen, wo sonst helle, leuchtende
einen Weg geht, der geradezu das
von dem zu werden scheint, der vorher be
schritten wurde. Das ist, finde ich, die
natürliche Reaktion. Wir haben die
vollen, Klweichen Klänge
satt, zum
andere Töne anstimmen …“
Und nun kommt dazu,
(ich
halte zu glauben, mein
brächte Neues. So belehrt mich nicht
nur meine Empfindung. Auch
von Freunden und Schülern drücken
das aus, die
Die Sache steht also für mich so:
Ich glaube mein Klaviersatz ist nicht
das Ergebnis eines Unvermögens, sondern der Ausdruck eines festen Willens, bestimmter
Neigungen, greifbar deutlicher Empfindungen.
Was er nicht
, ist nicht: was
Was er besser
könnte, sondern was er
.
in mir die Befürchtung, hineinträgt, was ich grundsätzlich, oder
meinen Neigungen folgend vermeide;
hinzugefügt, was ich – in den Grenzen meiner
Persönlichkeit – nie hätte finden können, was
nun also fremd, oder unerreichbar ist;
was mir
Sie schreiben auch über Transkription
in
gefällt und die wirklich beweist, wie dieselben
Ideen in derselben Zeit, gleichzeitig in ver
schiedenen Köpfen auftauchen. Ich bin insbe
standen,
Transkription ist. Ich habe schon vor Jahren
ähnlich argumentiert, als die Öffentlichkeit
tations-
Aber das ist doch auch noch eine andere
Sache: Ob man Beethovens veraltete Instrumenten
behandlung und Instrumentation verbessert
auf Grundlage zweifellos besserer neuerer
Instrumentations-Erfahrungen, und ob man meinen
durch ältere Technik oder eine deren bessere Geeignetheit zumindest heute noch nicht so absolut festgestellt ist, so über jeden Zweifel
erhaben ist.
Ich kann das wohl, da ich ja Ihre
wärtig sagen, ohne
allzustarke Kritik ansehen dürfen.
Denn Ihre Bearbeitung kann mich ja
noch immer eines Anderen belehren. Aber
auch abgesehen davon, bin ich sicher,
Sie mir die Schärfe nicht übelnehmen,
bin
nicht so scharf und hart über meine Werke
urteilten.
Und nun finde ich doch etwas, das mir
als Einwand gegen Sie geeignet scheint.
Halten Sie denn wirklich so unendlich
viel von der Vollkommenheit? Halten
Sie denn wirklich diese
Sie denn wirklich,
sind oder sein müssen?
Ich finde das nicht. Ich finde sogar
Gottes Kunstwerke, die der Natur
höchst unvollkommen.
Aber für vollkommen finde ich
nur die Werke der Drechsler, Gärtner,
Zuckerbäcker und Friseure. Nur die
haben jene Glätte, jenes Ebenmaß, das
ich sooft zum Teufel gewünscht habe. Nur
sie genügen so allen Anforderungen, die
Menschliches, Gottähnliches auf der Welt.
Und wenn:
Notation
Notation
ohne Hervorhebung.
Unvollkommenheit
so ist doch auch:
Transkription
Transkription
ohne Hervorhebung.
Unvollkom̅enheit.Unvollkommenheit.
Denn wenn a = b und b = c so ist auch
a = c.
Wozu also die eine Unvollkommenheit
durch die andere ersetzen.
Wozu ihren
substituieren, die ihm einen ihm fremden
Gehört
einer Persönlichkeit auch deren Fehler
dazu? Wirken diese, wenn schon nicht
als schön, so doch wenigstens als Kontraste,
als die Grundfarbe, von der sich die
anderen Farben deutlich abheben?
Ich habe oft daran gedacht,
sehr unterschätzen
Vorspielen und Übergängen
“ (Selbst einen so viel kleineren
" (Im Übrigen muten die meisten Klavier-Kompositionen
“ (weit über
indem man ihre
Ihre
Ich war mir auch um alles Theoretische daran ganz
klar. Heuer im Sommer habe ich mich ein
wenig selbst damit
den Mut dazu verloren. Denn ich sehe zu
genau,
ist, etwas sehr Eigenartiges gemeint war
und ich habe nicht den
zur interessanten
Einfall durch einen „sicheren" Klang zu
ersetzen. Und mehr kann die Phantasie
eines Anderen an einem wirklichen Kunstwerk
nicht leisten! —
Rein technisch = musikalisch möchte ich
Sie nun nur noch fragen, ob Sie nicht
vielleicht ein zu langsames Tempo
haben. Das könnte ja viel ausmachen. Oder
zu wenig
fälschlich mit Hervorhebung.
wenig
Takt!
Ihr „
Der Drittelton pocht schon seit einiger Zeit an die Pforte, und wir überhören noch immer seine Meldung.“ (
53.telTöne
Für die Vierteltöne hatte ich mir seiner
zeit folgende Notation erdacht:
Ich glaube aber,
versuche kaum werden durchdringen; denn
ich hoffe mit viel Zuversicht,
zukünftige Notenschrift eine – wie soll
ich sagen: „drahtlosere" sein wird.
Auch über die Tonarten
[…] die Plage, Hunderte von Skalen auszurechnen, könnte
“ (
Meinung – das bezeugt ja meine Musik.
Ich glaube:
machen kann, könnte man auch mit 2 oder 3
oder 4: Dur = Moll,
Jedenfalls bin ich seit langem dahinter her
die Fesseln der Tonarten ganz abzustreifen.
Und meine Harmonik kennt keine an Tonarten
erinnernden Akkorde oder Melodien mehr.
Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen.
Wieweit ich diese Absichten verwirkliche?
Nicht so
genügt mir noch kein Stück. Ich möchte noch
bunter werden an Motiven und melodieun
melodieunähnlichen
ohne Hervorhebung.
ähnlichen Gestaltungen; ich möchte noch freier
und ungezwungener sein im Rhythmus, in den
und
Gedankens. Das schwebt mir vor: so phanta
siere ich Musik, bevor
transkribiere. Und dazu kann ich mich
nicht zwingen; da
mir ein Stück ganz von selbst so gelingt,
wie es mir vorschwebt
Zuerst kommt die Idee, dann entsteht oder man sucht den Einfall, dann folgt die Ausführung.
“ (
Und damit bin ich auch zur Beantwortung
Ihrer anderen Frage gelangt:
und
Meine einzige Absicht ist:
keine Absicht zu haben!
Keine formelle, keine architektonische,
keine sonstige artistische, (als etwa die
Stimmung eines Gedichtes zu treffen)
keine ästhetische – überhaupt keine;
oder höchstens die:
dem Strom meiner
Empfindungen nichts Hemmendes in den
Weg zu legen. Nichts da hinein geraten
zu lassen, was durch die Intelligenz oder
Kennten Sie meine Entwicklung,
so würden Sie am
Aber ich habe mich ja auch auf diese Frage
beantworten. Ich habe
an der Natürlichkeit meiner Absichten zweifeln
wird, eben weil sie natürlich sind.
f wird,
eben weil ich alles
Aber, wenn man sieht, wie ich mich
stufenweise entwickelt habe, wie ich
längst einer Ausdrucksform nahe war
zu der ich mich heute klar und
los bekenne, wird man verstehen,
nichts Unorganisches, Ästhetisches
.
Müssen dieses Resultat hervorgebracht hat.
ziemlich klar bin, kann mir nur der
der sich keinen Begriff davon macht,
nach dem
Zeit des ruhigen klaren Schaffens
in der man sich Rechenschaft
seine Zustände.
Was das
Ihnen, wie mich Ihre herbe Kritik vermuten
meine ich
hinaus geht, was den beiden anderen gelingt.
Mindestens was die früher erwähnte Bunt
heit anbelangt. Aber auch im „Harmonischen"
– wenn man
darf – scheint mir manches anders darin.
Insbesondere: manches dünnere,
Aber ich halte es auch für ungerecht zu ver
langen,
stückenver
schiedene Arten revolutioniert. Schiene
Sollte das ein Fehler sein,
ich dort so kurz bin, dann macht dieser
Brief ihn wett! Aber es gab da doch
einige Dinge, die ich sagen wollte –
wohl an meiner technischen Unbeholfen
heit.
Und nun zum
und bewahren mir Ihr Interesse.
Vielleicht finden Sie einen Ausweg,
eine Erklärung, die es mir möglich
macht mein Stück, in Ihren
veröffentlichen
was es heißt, von einem bedeutenden
“ (Diese Komposition fordert vom Spieler die verfeinertste Anschlags- und Pedalkunst; einen intimen, improvisierten, ‚schwebenden‘ Vortrag; ein liebevolles Sichversenken in seinen Inhalt, dessen Interpret – rein als Klaviersetzer – hiermit sein zu dürfen, sich zu künstlerischer Ehre rechnet. F.B.
(
Oder aber: Vielleicht bringen Sie alle
drei und die Paraphrase, mit einer
Erklärung ein
Jedenfalls hoffe ich Ihr Wohlwollen
.
nicht zu verlieren, wenn ich Sie nun
auch bitte mir mitzuteilen, ob Sie
die Stücke auch spielen wollen. Denn
daran liegt mir selbstverständlich auch
enorm viel
“ (
Noch etwas Eigentümliches zum
Ehe ich
hatte, wollte ich mich an Sie wenden
– ich kannte Ihre Vorliebe zu Transkriptionen –
mit der Frage, ob Sie nicht eines meiner
Kammer- oder Orchesterwerke als Trans
aufnehmen wollten.
Eigentümlich: Nun treffen wir wieder
bei einer Transkription zusammen!
War das eine
meines
die mich an Sie im Zusammenhang
mit einer Transkription denken hieß.
Das fiel mir neulich erst ein!