Brief von Arnold Schönberg an Ferruccio Busoni (Mödling, 26. Februar 1919) Arnold Schönberg Prepared by Christian Schaper Ullrich Scheideler Digitization by Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin Berlin Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) Ferruccio Busoni – Briefe und Schriften Briefe Briefwechsel Ferruccio Busoni – Arnold Schönberg Christian Schaper Ullrich Scheideler Deutschland Berlin Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv Nachlass Ferruccio Busoni Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4567 Mus.ep. A. Schönberg 28 + Beil. (Busoni-Nachl. B II) Kalliope-Verbund DE-611-HS-736538 Schönberg berichtet von Steuermanns Einstudierung der Sechs Elegien Busonis für den Verein für musikalische Privataufführungen, erbittet Vorschläge für weitere aufführbare jüngere Werke Busonis. Sie haben mir zwar keine Antwort gegeben Der Brief ist gut erhalten. Hand des Absenders Arnold Schönberg, Brieftext in schwarzer Tinte, in deutscher Kurrentschrift Hand des Archivars, der die Foliierung in Bleistift vorgenommen hat. Bibliotheksstempel (rote Tinte) Beilage zu: Mus.ep. A. Schönberg 28 (Busoni-Nachl. B II) Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4567a

VEREIN FÜR MUSIKALISCHE PRIVATAUFFÜHRUNGEN IN WIENVerfasser des sogenannten Vereinsprospekts war Alban Berg

Der im November 1918 gegründete Verein hat den Zweck, Arnold Schönberg die Möglichkeit zu geben, daß dass er seine Absicht: Künstlern und Kunstfreunden eine wirkliche und genaue Kenntnis moderner Musik zu ver schaffen, persönlich durchführe.

An dem Verhältnis des Publikums zur modernen Musik ist in hervorragendem Maße der Umstand mitbestimmend daß dass es als Eindruck davon vor allem anderen den von Unklarheit empfangen muß muss . Unklar sind ihm Zweck, Richtung, Absicht, Ausdrucksgebiet und Ausdrucksweise, Wert, Wesen und Ziel der Werke, unklar ist meist die Wiedergabe, unklar insbesonders des Publikums Bewußtsein Bewusstsein von seinen eigenen Bedürfnissen und Wünschen, und so werden also die Werke geschätzt, geachtet, gepriesen und bejubelt oder mißachtet missachtet , getadelt und abgelehnt – bloß wegen einer einzigen Wirkung, die von al1en gleichmäßig ausgeht: wegen der Unklarheit.

Das kann auf die Dauer keinen Berücksichtigungswerten befriedigen: keinen ernsthaften Autor, keinen bessern Menschen aus dem Publikum. Und hier endlich einmal Klarheit zu schaffen, und damit berechtigten Wünschen und Bedürfnissen Rechnung zu tragen, war einer der Anlässe, die Arno1d Schönberg zur Gründung des Vereines bewogen haben.

Zur Erreichung dieses Ziels sind drei Dinge erforderlich:

1. Klare, gut studierte Aufführungen;

2. Oftmalige Wiederholungen;

3. Die Aufführungen müssen dem korrumpierenden Einfluß Einfluss der Öffentlichkeit entzogen werden, das heißt, sie dürfen nicht auf Wettbewerb gerichtet und müssen unabhängig sein von Beifall und Mißfallen Missfallen

Damit ist auch der wesentliche Unterschied angezeigt, der sich bei Vergleich der Aufgaben des Vereines und der des heute üblichen Konzertlebens, von dem er sich grund sätzlich fernhält, ergibt. Denn: muß muss hier

1. bei Einstudierung eines Werkes im allgemeinen Allgemeinen mit einer von vornherein festgesetzten und immer zu gering bemessenen Probenzahl schlecht und recht das Auslangen gefunden werden – und bezeichnenderweise wird es, freilich mehr schlecht als recht, gefunden –, so ist für die Zahl der Proben der im Verein aufzuführenden Werke immer nur die Erzielung der größtmöglichen Deutlichkeit, die Er füllung aller aus dem Werke zu entnehmenden Intentionen des Autors maßgebend. Und ergäbe das einen im heutigen Musikbetrieb nicht wiederzufindenden Aufwand von Proben (wie dies – um nur ein Beispiel herauszugreifen – etwa beim Studium einer Symphonie von Mahler der Fall war, die nach zwölf meist vierstündigen Proben zur Erstaufführung, nach weiteren zwei Proben zur Wiederholung gelangt ist,): bevor nicht wenigstens jene Grundbedingungen einer guten Reproduktion gegeben sind, kann und darf im Verein ein Werk nicht aufgeführt werden.

Wird – um ein solches Studium zu ermöglichen – schon bei der Wahl der Ausführenden vorerst auf jüngere Künstler, also weniger bekannte und solche bekannte, die sich dem Verein aus Interesse an der Sache zur Ver fügung stellen, gegriffen, auf solche, deren Ruf man teuer bezahlen muß muss , nur soweit als das Werk es erfordert und zuläßt zulässt , so wird wiederum durch eine derartig strenge Auswahl jenes Virtuosentum ausgeschaltet, dem das auf zuführende Werk nicht Selbstzweck, sondern lediglich Mittel zu einem Zweck ist, der keinesfalls der des Vereins sein kann, nämlich: Entfaltung von Virtuosität und Eigenart, die fernab von der Sache liegt, Erzielung eines rein persön lichen Erfolges. Durch den schon erwähnten Ausschluß Ausschluss aller Beifalls-, Miß Miss falls- und Dankesbezei gungen wird Derartiges an sich unmöglich. Der einzige

Erfolg, den ein Künstler hier haben soll, ist der, der ihm der wichtigste sein müßte: das Werk und damit den Autor verständHch gemacht zu haben.

Bietet nun eine so gründlich vorbereitete Aufführung schon große Gewähr dafür, daß dass dem Werke zum richtigen Verständnis verholfen werde, so ist dem Verein durch die Einführung wöchentlicher Veranstaltungen*) hiezu ein weiteres, noch wirksameres Mittel gegeben, und zwar:

2. das der oftmaligen Wiederholungen jedes Werks. Weiters wird, um den gleichmäßigen Besuch der Veran staltungen zu sichern, das Programm im Vorhinein nicht bekanntgegeben.

Nur durch Erfüllung dieser beiden Erfordernisse: gründ liches Studium und oftmalige Wiederholung, kann Klarheit an Stelle der sonst als einziger Eindruck einer einmaligen Wiedergabe verbleibenden Unklarheit treten, kann sich ein den Absichten des Werkes entsprechendes Verhältnis ein stellen, ein Sich-Einleben in dessen Stil und Sprache, schließlich eine Vertrautheit, die sonst nur durch Selbst studium erreichar ist, und die dem Konzertpublikum von heute höchstens mit den oft aufgeführten k1assischen Werken nachgerühmt werden könnte.

Die dritte Bedingung zur Erreichung der Ziele des Vereins wird dadurch erfüllt, daß dass die Aufführungen in jeder Hinsicht nichtöffentlich sind, daß dass Gäste (auswärtige ausgenommen) keinen Zutritt haben und daß dass die Mit glieder sich verpflichten, jede öffent1iche Bericht erstattung über die Aufführungen und Tätigkeit des Vereins zu unterlassen, insbesonders Rezensionen, Notizen und Besprechungen in periodischen Druckschriften weder zu verfassen noch zu inspirieren. Diese Nichtöffentlichkeit der Veranstaltungen wird durch die gleichsam pädagogischen Bestrebungen des Vereins bedingt und deckt sich mit dessen Tendenz, den aufgeführten Werken nur durch die gute Aufführung zu dienen, also lediglich durch die Wirkung, die von der Musik selbst ausgeht. Propaganda für Werk und Autor ist nicht Zweck des Vereins.

Deshalb soll auch keine Richtung bevorzugt und nur das Wertlose ausgeschlossen werden, im übrigen aber alle moderne Musik, von Mahler und Strauß bis zu den Jüngsten, die ja sonst fast nicht oder nur unzulänglich zu Wort kommen, dargebracht werden.

Im Allgemeinen ist der Verein bestrebt, den Mitgliedern das an solchen Werken darzutun, die geeignet sind, das Schaffen eines Komponisten von seiner charakteristischesten und zunächst womöglich auch ansprechendsten Seite zu zeigen. Es kommen daher nebst Liedern, Klavierstücken, Kammermusik und kleineren Chorsachen auch Orchester werke in Betracht, welche – da der Verein heute noch nicht die Mittel besitzt, sie in der Originalgestalt aufzu führen – vorderhand nur in guten und gutstudierten Arran gements zu vier bis acht Händen reproduziert werden können. Aber: einmal Einmal vor eine solche neue Aufgabe ge stellt, wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Es ist nämlich auf diese Weise möglich, moderne Orchester werke – aller Klangwirkungen, die nur das Orchester auslöst, und aller sinnlichen Hilfsmittel ent kleidet – hören und beurteilen zu können. Damit wird der allgemein übliche Vorwurf entkräftet, daß dass diese Musik ihre Wirkungen ledglich ihrer mehr oder minder reichen und effektvollen Instrumentation verdanke und nicht auch alle die Eigenschaften besäße, die bisher für·eine gute Musik charakteristisch waren: Melodien, Harmonienreichtum Polyphonie, Formvollendung, Architektur etc.

Ein zweiter Vorteil solchen Musizierens ist in der konzertmäßigen Art der Wiedergabe dieser Arrangements gelegen. Da es sich dabei nicht um einen Orchesterersatz handelt, sondern darum, die Orchester werke derart für Klavier umzudenken, daß dass sie in diesem Augenblick als selbständige, man könnte fast behaupten : Klavier-Kompositionen Geltung haben und gehört werden sollen, werden insbesonders alle Eigenschaften und Eigen tümlichkeiten des Klaviers ausgenützt, wird allen pianistischen Möglichkeiten Rechnung getragen. Und nun stellt sich so gar heraus, daß dass bei einer solchen Reproduktion von Orchester werken mit besonderer Differenziertheit des Klanges fast nichts verloren geht, ja daß dass gerade derartige Werke – durch die Sicherheit ihrer Instrumentation, die Echtheit der ihrer Eingebung angeborenen Klangfarben – imstande sind, dem Klavier Klangwirkungen zu entlocken, die weit über seine sonstigen Ausdrucksmöglichkeiten hinausgehen.

In den ersten neun Vereinsveranstaltungen gelangten zur Aufführung bezw. bzw. Wiederholung:

Béla Bártok Bartók , 14 Bagatellen Op. 6 (zweimal); Alban Berg, Op. 1, Sonate für Klavier; Claude Debussy, zwei Liederzyklen: Proses lyriques (zweimal) und Fêtes galantes (zweimal); Trois Nocturnes pour orchestre, arr. für zwei Klaviere zu vier Händen von Maurice Ravel (zweimal); Josef Hauer, <hi rend="spaced-out">Nomos in sieben Teilen</hi>, Op. 1 und <hi rend="spaced-out">Nomos in fünf Teilen</hi>, Op. 2; Gustav Mahler, VII. <hi rend="spaced-out">Symphonie</hi>, arr. für Klavier vier händig (zweimal); Fünf Lieder aus "<hi rend="spaced-out">Des Knaben <lb/>Wunderhorn</hi>" (zweimal); Hans Pfitzner, <hi rend="spaced-out">Fünf Lieder</hi>, Op. 26; Max Reger, <hi rend="spaced-out">Introduction, Passacaglia u. Fuge, <lb/>für zwei Klaviere vierhändig</hi> Op.96 (zweimal); <hi rend="spaced-out">Sonate für Klavier und Cello A-moll</hi>, <lb/>Op. 118 (zweimal); Franz Schreker, Vorspiel zu einem Drama, arr. für Klavier vierhändig (zweimal); Alexander Skrjabin, <hi rend="spaced-out">Sonate für Klavier Nr.</hi> 4 (zweimal); <hi rend="spaced-out">Sonate für Klavier Nr.</hi> 7 (zweimal); Richard Strauß, <hi rend="spaced-out">Don Quichote</hi>, Op. 35, arr. für zwei Klaviere vierhändig (zweimal); Igor Strawinsky, Trois pieces faciles und <hi rend="spaced-out">Cinq <lb/>pièces faciles pour piano a 4 mains</hi> (zweimal); Anton von Webern, <hi rend="spaced-out">Passacaglia</hi> f. gr. Orch. Op. 1 arr. für zwei Klaviere sechshändig; Alexander von Zemlinsky, <hi rend="spaced-out">Vier Lieder</hi> Op. 8;

Folgende Werke befinden sich in Vorbereitung und sind u. a. in Aussicht genommen:

Alban Berg <hi rend="spaced-out">Vier Lieder</hi>, Op. 2; Julius Bittner, Sonate für Klavier und Cello; Ferruccio Busoni, Sechs Elegien für Klavier; Gustave Charpentier, <hi rend="spaced-out">Poèmes chantés</hi>, für eine Singstimme und Chor; Claude Debussy, La mer, 3 esquisses sympho<lb break="no"/> niques, arr. für zwei Klaviere vierhändig; Fidelio Finke, K1avierstücke; Egon Kornauth, Violinsonate; E. W. Korngold, VioIinsonate Op. 6; Gustav Mahler, VI. Symphonie, arr. für Klavier vier händig von A. v. Zemlinsky; Vitezlav Nowak, Erotikon, Klavierstücke ; Hans Pfitzner, <hi rend="spaced-out">Klavier-Quintett F-moll</hi>, Op. 23; Maurice Ravel, Zwei hebräische Gesänge; Max Reger, <hi rend="spaced-out">Suite für Cello</hi>, Op. 131c; <hi rend="spaced-out">Sonate <lb/>für Violine und Klavier</hi>, Op. 139; <hi rend="spaced-out">Sonate für <lb/>Klarinette und Klavier</hi> B-dur, Op. 107; Franz Schreker, Kammersymphonie, arr. für zwei Klaviere vierhändig; Cyrill Scott, <hi rend="spaced-out">Sonate für Violine und Klavier</hi>, <lb/>Op. 57; Richard Strauß, <hi rend="spaced-out">Symphonia domestica</hi>, Op. 53, arr. für zwei Klaviere vierhändig; Igor Strawinsky, Berceuses du chat, Chansons avec ensemble; Pribaoutki, Chansons plaisantes; Josef Suk, "Erlebtes und Erträumtes", Klavier stücke; Ein Sommermärchen, Syph. Dichtung, arr. für Klavier vierhändig; Anton von Webern, <hi rend="spaced-out">"Entf1iehet auf 1eichten <lb/>Kähnen</hi>", gem. Chor a capella, Op. 2; Karl Weigl, <hi rend="spaced-out">Streichquartett</hi> E-dur; Alexander v. Zemlinsky, <hi rend="spaced-out">Sechs Gesänge</hi> (Maeterlinck), <lb/>Op. 13; <hi rend="spaced-out">II. Streichquartett</hi>, Op. 15.

Schließlich sei erwähnt, daß dass außer den hier angeführten Aufführungen auch Vorträge und sonstige, den Zwecken des Vereines dienende Veranstaltungen abgehalten werden.

Die Mittel zur Erreichung des Zweckes sollen folgendermaßen aufgebracht werden:

1. Durch die satzungsgemäßen Mitgliedsbeiträge,

2. Durch freiwillige Überzahlungen über diese Beträge,

3. Durch eventuelle freiwillige Zuwendungen Außen stehender.

für die Bemessung der Mitgliedsbeiträge ist folgendes maßgebend :

Die wöchentlichen Vereinsabende sind als Konzerte aufzufassen, auf welche die Mitglieder für eine Saison

abonnieren. Der Abonnementsbetrag für die gewählte Sitz kategorie kann für eine ganze Saison im Voraus, oder in vierteljährigen, monatlichen oder auch wöchentlichen Teil beträgen bezahlt werden, wobei das Mitglied aber die Ver pflichtung zur fortlaufenden Bezahlung für die ganze Saison übernimmt. Außerdem ist zu Beginn des Vereins jahres, bezw. beim Eintritt in den Verein, eine Grundgebühr zu bezahlen, deren Höhe sich nach der Sitzkategorie richtet.

Es gibt vier Sitzkategorien. Die billigste (4.) kostet wöchentlich 1 Krone, die nächste (3.) 2 Kronen, die folgende(2.) 3 Kronen; die 1. Kategorie ist denjenigen überlassen, welche freiwillig mehr bezahlen woHen.

Dementsprechend stellen sich die Mitgliedsbeiträge so:

jährlich Bezahlung in a) 52 Wochenraten b) 12 Monatsraten c) Vierteljahrsraten Grund gebühr wöchent lich Grund gebühr monatlich Grund gebühr viertel jährlich K K K K K K 4. Klasse 3. „ 2. „ 1. „ z. Beisp. oder oder oder 60.– 120.– 180.– 300.– 400.– 500.– usw. 1000.– usw. 8.– 16.– 24.– 40.– 36.– 34.– 1.– 2.– 3.– 5.– 7.– 9.– 6.– 12.– 18.– 30.– 40.– 80.– 160.– 4.50 9.– 13.50 22.50 30.– 35.– 70.– 6.– 12.– 18.– 30.– 40.– 80.– 200.– 13.50 27.– 40.50 67.50 90.– 105.– 200.–

Die Einführung einer solchen Abstufung der Mitglieds beiträge wurde getroffen, um die bedeutenden Kosten des Vereins in einer gerechten Weise, also nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit jedes Mitglieds, aufteilen zu können; wobei natürlich erwartet wird, daß dass von jenen, die in der Lage sind größere Opfer zu bringen, vorzugsweise die ersten zwei Klassen benützt werden.

Den Beitritt zu diesem Verein erklärt man durch Ausfüllung und Übersendung der beiliegenden "Beitritts erklärung", wobei Kenntnis und Anerkennung der Statuten vorausgesetzt ist.

Sekretär: Präsident:

Josef Rufer per Adresse: Dr. Paul Pisk, Wien, VI, Proschkogasse 1, Tel. Stelle 4 von 704. Arnold Schönberg

16. Februar 1919.

Auszug aus den Statuten

§ 4. Mitg1ied kann jede unbescholtene·und ehrenhafte Person werden, weiche sich den Vereinssatzungen unterwirft.

§ 6. Die Mitglieder des Vereins sind verpf1ichtet:

a) die Zwecke des Vereins zu fördern und Schädigungen zu verhüten;

b) die Mitgliedsbeiträge für das laufende Jahr auch im Falle des vorzeitigen Austritts zu bezahlen;

c) die Tendenz des Vereins nicht zu verletzen.

§ 8. Die Vereinsleitung besteht aus:

a) dem Präsidenten Arnold Schönberg, dessen Funktionsdauer nicht begrenzt ist;

b) 10 bis 20 Vorstandsmitgliedern (den Vortragsmeistern, dem Sekretär, den Ordnern etc.), welche von der Generalversammlung im mit dem Präsidenten gewählt werden.

§ 9. Der Präsident hat in der Leitung des Vereins voll kommen freie Hand. Er bestimmt Höhe und Art der für die Zwecke des Vereins nötigen Ausgaben, Honorierung der Mitwirkenden und der im § 10 erwähnten Vorstandsmitglieder, Mietpreise der Säle, Ausgaben für Vortragsabende, administrative Regien etc. Ihm steht auch das Recht zu, würdigen und bedürftigen Mitgliedern die Zahlung der Beiträge ganz oder teilweise zu erlassen.

§ 12. Alle Beschlüsse der Generalversamm1ung, ein schließlich Wahlen, Statutenänderungen, Vereinsauflösung etc., be dürfen zur Giltigkeit der Zustimmung des Präsidenten

Der Brief wurde in Mödling am 26. Februar 1919 verfasst. Weindel 2003,

Seminar «Der Nachlass Ferruccio Busonis in der Staatsbibliothek zu Berlin: digitale Textedition ausgewählter Quellen mit TEI»

Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit Doppelbindestrichen (⸗).

Alle im Text vorkommenden Interpunktionszeichen wurden beibehalten. Bei Auszeichnung durch XML-Elemente wurden anschließende Satzzeichen nicht mit einbezogen.

Schönberg, Arnold Mödling Busoni, Ferruccio Datei als Platzhalter erstellt, Transkription ausstehend. Überarbeitung der Transkription Scheideler, Metadaten begonnen
Mus.Nachl. F. Busoni B II, 4567 Mus.ep. A. Schönberg 28 + Beil.(Busoni-Nachl. B. II) Verein für musikalische Privataufführungen Präsident Arnold Schönberg Wien, 26.II2.1919
alle Zuschriften an: Sekretär Dr. Paul Pisk Wien, VI., Proschkogasse 1, Tel. St. IV v. 704
Arnold Schönberg Mödling bei Wien Bernhardg 6. – Tel. 118.
Verehrter Herr Busoni,

Sie haben mir zwar keine Antwort gegeben auf Briefe, die ich Ihnen in der letzten Zeit geschrieben habe.Die letzten beiden überlieferten Briefe Schönbergs an Busoni stammen vom 30. Januar 1917 sowie aus dem Frühjahr 1917. Aber heute drängts drängt’s mich doch wieder, Ihnen zu schreiben schreiben, und gegenüber solchem Drang hält alle Persönlichkeits= und Prestige=Politik bei mir nicht stand, da nehme ich keine Rücksicht, weder auf mich noch auf andere, sondern schreibe. Der Anlaß Anlass : Steuer mann spielt in dem Verein für Mus. Mmusikalische Priv. APrivataufführungen Ihre <choice><orig>6</orig><reg>Sechs</reg></choice> Elegien, und die gefallen mir so außerordentlich, daß dass ich Ihnen das sagen muß muss . Ob es Sie interessiert, weiß ich nicht. Vielleicht aber interessiert Sie dieser Verein, den ich gegründet habe. Ich hatte damit einen vollen Erfolg. Wir sind bereits über 300 Mitglieder und dürften im Laufe des Jahres 500 werden. Das ist der erste Schritt zu weitgreifenden Reformen des Konzert lebens. Der erste Schritt – was daraus werden soll, kann noch niemand ahnen. Mein Wunsch wäre es, über all solche Vereine entstehen zu sehen. Das könnte segens reich wirken. Allerdings: erste Voraussetzung ist tadellose Vorbereitung der Aufführungen. Um ihnen einen Begriff zu geben, was ich darunter verstehe, so erinnere ich Sie an die Einstudierung diesesmeines Pierrot. Vor der Uraufführung von Pierrot lunaire am 16. Oktober 1912 hatten seit Juli 25 Proben mit dem Ensemble stattgefunden. Hinzu kamen zahlreiche Einzelproben mit der Interpretin der Sprechstimme Albertine Zehme. Ich kann sagen, daß wir dieses Niveau im Durch schnitt eingehalten haben, obwohl mir ja nicht für alles so gute Besetzung zur Verfügung gestanden ist. Manchmal haben wir es allerdings auch übertroffen. ZBsp Z. B. in der vierhändigen Aufführung von Mahlers VIII<choice><orig/><reg>.</reg></choice> Gemeint ist sicher Mahlers 7. Symphonie, deren Aufführung im ersten Vereinskonzert am 29. Dezember 1918 stattfand (Wiederholung am 16. Januar 1919). und StraußssDon Quixote. Die Aufführung von Don Quixote hatte am 12. Januar 1919 stattgefunden (Wiederholung am 30. Januar 1919). Steuermann spielt Ihre Elegien sehr schön! Die Aufführung von Busonis Sechs Elegien fand erst am 2. März 1919 statt (drei Wiederholungen in den folgenden Monaten). Die Bemerkung Schönbergs dürfte sich daher auf die Proben beziehen.

Könnten Sie mir nicht sagen, was wir dem nächst von Ihnen bringen sollen? Am liebsten hätte ich etwas aus Ihrer letzten Schaffensperiode. Im Verein wurden zu einem späteren Zeitpunkt außerdem von Busoni die Sonatina [Nr. 1] für Klavier, die Violinsonate op. 29 sowie die Toccata für Klavier aufgeführt.

Ich grüße Sie herzlichst und denke mir, daß dass Sie mich doch einmal einer Zeile würdigen könnten.

Schließlich: der Schlechteste bin ich ja doch nicht.

Ihr Arnold Schönberg