politischen Parteiverlagund seinem Eintritt in den VerlagCassirer
Erfassung von Briefen und Schriften von Ferruccio Busoni, ausgehend von Busonis Nachlass in der Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz.
Worttrennungen an Zeilenumbrüchen im Original mit einfachen Bindestrichen.
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Dieser Brief wartet mit einigen Überraschungen
auf.
Die erste ist, dass meine Adresse nun lautet:
Dass ich in Ihrem gro
sitze, und dass Emma Fital
denkbar peinlich rein macht. —
Bald nachdem ich
es dieser (ernstlich ganz au
walterin Ihres Haushaltes während Ihrer Abwesen
heit
Gründen am besten zu sein, wenn ich in Ihre
Wohnung zöge, bis auf Weiteres, das hei
auf Ihre hoffentlich baldige Wiederkunft, oder
bis auf Ihr Veto. – Ich tat dies zunächst ohne
Bedenken, weil Sie selbst mir in
keiten als mehr
durch
drei Gründe waren:
Dass Ihre Wohnung der herrlichste Arbeits
platz von der Welt ist, voll von Wundern,
das
peterskirchlichen Gasanstalt der
ist. Die Wohnung ist überhaupt merkwürdig. Ich
wohnte erst im Hotel, dann bei Bekannten, äu
traurig, so dass es nichts mit der Arbeit war
und ich krank wurde. Kaum zog ich endlich
(nach sorgfältigster Vorbereitung durch
und
und arbeitete drauf los. – Der
(wie auch in Ihrer Wohnung, dort glücklicherweise
ergebnislos) war mehrmals eingebrochen worden.
Alle Beteiligten atmeten auf, als sie hörten, es
bestehe die Möglichkeit, dass ein (zuverlässiges) männliches Individuum sich in der Wohnung
aufhalten werde.
sogar die Wahrscheinlichkeit, dass in nächster
Zeit schon gro
von denen mehrere Räume
obdachlose Familien aufgeteilt werden.
Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen in einer Art und Weise überwacht, die Missbrauch verhütet und dem Ziele zustrebt, jedem Deutschen eine gesunde Wohnung und allen deutschen Familien, besonders den kinderreichen, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohn- und Wirtschaftsheimstätte zu sichern.
halte ich die jetzige Kombination (wie
auch) für eine ausgezeichnete Fürsorge – da man
ja nicht wissen kann, ob nicht der gerade
zufällige Dezernent über das
böswillig ist, oder schlecht geschlafen hat, oder
Ich jedenfalls glaube, die Dinge sichern zu können. —
In
Abgeraten vom Journalismus und
die nicht von der Produktion des Talents abhänge. Ich, sonst
ein sehr schlechter Boden für Lebensregeln, bin doch diesem
Rat, der starken Eindruck auf mich machte, gefolgt. Ich fand,
dass meine Angelegenheiten sich so wendeten, dass ich als geisti
ger Leiter in einem gro
tscher Schriftsteller für eine
keit
also gut! (Ich hoffe, dass Sie ein solches Wort
in allen Briefen, die Freunde von irgendeinem
Punkte der Welt an Sie schreiben, antreffen
könnten!) Ich schreibe Ihnen das – so unwichtig es für die Hauptdinge
ist – weil ich wei
Die Geschichte, wie ich Leiter dieses Verlages wurde,
ist aber wiederum seltsam. Ich suchte den
Verlag
aller, aller allerschlechtesten Eindruck, den ein
Mensch in der Welt bekommen kann. Mir
wurde sofort klar, dass wir in der
alle ganz ungenügend unterrichtet waren.
Erstens ist der Verlag
politischer
Verlag. Er bekommt seine Druckaufträge
der Regierung, die sie nur des Buchhandels wegen
mit der Marke dieses Verlages herausgeben lie
Zweitens aber ist er ein noch
Verlag insofern, als er auch noch der
geistige Unterstützungsverlag der
gen so
ein politischer Parteiverlag, derma
was heute (wo die Regierung die
aufträge voraussichtlich nicht mehr geben
wird, d.h. die mehrheitssozialistische Regierung)
im Verlage
zugehörig zur
gerechnet wird. So blüte mir die unerbetene
Überraschung, gerade an dem Tage, als ich nach
aus den ohne meine Erlaubnis
Staatsbibliothek
Berlin
abgedruckt zu finden in der Tageszeitung
dem Partei-Organ der
wurde mit Befremden abgewiesen. Die
erschienen im Verlag
sei Parteiverlag, und was da erschiene
abgedruckt werden. – Nun gehöre ich erstens
dieser Partei nicht an
ich ihr angehören wollte, müsste ich mir doch
das Recht wahren, dies nach meinem eigenen Willen
tun zu können, nicht aber auf Grund eines
schlechten und ausbeuterischen Verlagsvertrages
mechanisch als Glied dieser Partei zu gelten!
Dies war das eine im Verlage
aber war mein wiederholter Eindruck, dass
ein Autor, der im Verlage
zwar gelegentlich ein Honorar bekommt, aber
in der Tat zum Vergessen verurteilt ist. In
diesem Verlage ist keine Person, die etwas
von Büchern versteht, oder sich dafür interes
siert.
seinem Talent nach ein Bilderhändler ersten
Ranges und beschäftigt sich mit dem Verlag
überhaupt nicht, er schiebt alles auf
berg
Person interessiert, er g
er sitzt in der
im
Fettflecke im Verlag
keit besteht darin, seine Person möglichst gut
zu sichern. Er tut nichts und schiebt wiederum
alles ab auf einen
langsam, untätig und ungebildet ist wie alle
neueren Buchhändler. So kommt es, dass Sie in
den Buchhandlungen nur jene vier politischen
Schriften aus dem Verlag
der Novemberrevolution
herstellen lie
ganda wohl auch die Regierung selbst sorgte.
Von den Dichtungen des Verlages sieht man nichts,
von ihnen singt kein Lied, kein Heldenbuch.
Den allerschlechtesten Eindruck machte mir aber
Das inte(Wie gütig: das interessierte ihn!)
ressiertmich!
Da ich nun sicher bin, dass sich in
ernsten Angelegenheiten stets ein Gaul oder
ein anderer Esel im Hause befinden wird,
der gerade im passenden Moment die Dinge
nicht zur Klarheit kommen lassen wird, so
verlie
meine Beziehungen zum Verlage
zu lösen. Diesen Entschluss führte ich dieser
Tage auch aus, sandte
das ich plötzlich, nach Monaten, von ihm
erhielt, zurück, und war ihm nur noch eine
Summe schuldig, die ich in der
dass mich diese ganze Sache recht deprimiert
hatte. In dieser Stimmung traf ich mit dem
Verleger
wiederum ich nicht richtig informiert gewesen
war, trotzdem ich den Voltaire für ihn
gemacht hatte. Der Verlag
hat nämlich nicht allein eine sehr gro
Menge ausgezeichneter Bücher erscheinen
lassen, sondern auch das kostspielige
Das Kunstblatt will der werdenden Kunst dienen
legt die Programmatik der Zeitschrift offen: Sie dient allen voran als Sprachrohr der zeitgenössischen Kunstströmungen.
vollen Reproduktionen sich mit ältester,
mit exotischer, indischer,
neuester Kunst beschäftigt, und vor allem
auch eine Reihe von ganz kostbaren Luxus
drucken.
der Legende nach in alten Zeiten Verleger
Künstler empfangen haben sollen: Alles Pe
war ihm selbstverständliche Nebensache, die ebenso
schnell wie klar – nach dem Wunsche des Autors! –
verlegt wurde. Die Hauptsache war ihm
ein reizender Empfang nach dem anderen,
ausgezeichnete Bewirtung und leicht
Diners. Kurz
eine menschlich interessante Ehre betrachtet,
mit dem Autor kostspielig speisen zu dürfen.
Dabei erzählte ich dem
Unzufriedenheit mit
auseinander, worin die Sünden solcher Dinge
bestehen, sprach auch über Unterlassungen
Idee: Kommen Sie in meinen Verlag. Das nahm
ich an, denn erstens war ich nach den Erfahrungen
des Hauses
das Bedürfnis,
Mittel verfüge,
so dass keine Unsinn geschehe, dass nur
künstlerisch wertvolle Werke mit internatio
nalem Weltgesicht erschienen, und dass man
für diese Werke
hei
in den kommenden Jahren in der Welt
überall alles drunter und drüber geht, mit H
dieses Verlages – unabhängig von jeder
die Werke zu halten und durchzusetzen. – Ande
rerseits sah ich auch in dieser Möglichkeit die
Lösung meiner eigenen finanziellen Fragen, da ja
der Eintritt in den Verlag unabhängig von meinen
Produktionen ist, und so besprochen wurde, dass
ich reiche Zeit und Kraft zu meiner eigenen Arbeit
behalte. Wiederum mit meinen Vorstellungen von einem modernen Verlage
war
Ich komme nun zu einem sehr wesentlichen
Punkte, der Sie betrifft.
Ich habe mir erlaubt
berg
sagen: glücklich! – in seinem Verlage
dieses Werk als vorbildlichen
es als selbstverständlich, das Hono
rar, das sie eventuell mit ihm vereinbaren
würden, zu zahlen, und auAblösung jener Summe, die
dafür gab, zu übernehmen! (
mir etwas von 3000
Ihnen das irgendwie passte, bitte natürlich genaue
Angaben.)
Ich,
moralische Garantie, dass der Luxusdruck
nicht nur sofort in Angriff genommen
wird, sondern auch nach Ihren Wünschen
ausgeführt.
Weiter bitte ich Sie: Haben Sie Lust, und
haben Sie
Sie diesem Verlage – unter der Garantie der
Aufsicht durch meine Person – für eine
wundervolle, international hochstehende
und unnaturalistische dramatische
Bibliothek
zum unverlierbaren Schatz der Weltliteratur gezählt werden dürfen.
wunderbar wird) Ihren
zum Aufstieg auf die sonnigen Höhen des Parnass; er bezieht sich auf ein Werk, das in Zürich aufgeführt werden soll. Es liegt nahe, dass er auf
Ich wäre sehr froh, wenn Sie bald
Zeit fänden, mir darüber ein paar
Worte zu schreiben. Um Ihnen einen
Begriff vom Verlage
geben, wollte ich Ihnen erst die Luxusaus
gaben selbst senden lassen. Es stellte sich
heraus, dass sie vergriffen sind, und
so werden Sie sich mit einem Verlags
verzeichnis begnügen müssen.
Was meine eigenen Wünsche angeht, so will
ich, dass dieser Verlag der erste, anständige moderne
Verlag Deutschlands wird: Nicht so eisern lang
weilig und staubnaturalistisch wie
nicht so liederlich und mit Amerikanismus
in der Reklame wie
so indifferent und tatenlos wie
Und überdies hat er gro
der Verleger verspricht sich selbst nur etwas
davon, sein Geld in so etwas hineinzustecken.
Und noch eins: Würden
Sie selbst im Verlag Hoffmann-Ausgabe machen
Als ich die deutsche Grenze überschritt, fiel
mir auf, dass alle Menschen so reines Deutsch
sprachen, selbst wenn es bayrisch war; dass
alle so freundlich und zuvorkommend
waren, selbst in der Eisenbahn. Manches,
vor allem Zeitungsberichte, hat uns eine
ein Bierli, das tausendmal besser ist als das
von Hürli. Es g
Bohnenkaffee. – Die Menschen sind im
Ganzen und Gro
vollkommen uninformiert, über das was
sie erwartet, und
glauben heute noch genau wie früher ihrer
Lügenpresse. In
auf: Eine unwahrscheinlich gro
Autos; eine au
von Menschen in den Stra
bare Schnelligkeit im Denken und Antworten
(z.B. auf der Stra
voll von Böswilligkeit. Was in diesen Wochen
an furchtbaren und grausamen Gemetzel vor
gekommen ist, die entsetzlich, blutdürstige und
tierische Roheit gegen ahnungslose und dumpf,
unterernährt dahinlebende Unterdrückte,
lässt einem die so berühmte Bartholomäusnacht
als eine Lappalie der Weltgeschichte erscheinen.
Es scheint, man hat in den vergangenen vier
Jahren noch zu wenig gesiegt, und man
will durchaus
Verhältnisse sehe ich für das kommende halbe
Jahr ohne Optimismus an. Wenn Sie im
Herbst kommen könnten, so, dass Sie
Ihre – für Ihre Lebensfreude – unumgäng
lichen Bedürfnisse befriedigen können,
ohne allzu wucherische Preise zu bezahlen,
Aufnahme als geistigen und künstlerischen
Das hat alles gestimmt, was
in
sich die Masse, in denen das geschehen wird,
noch viel, viel grö vorstellen, als man
Alles hängt hier nun von der
Staatsbibliothek
Berlin
Entwicklung der Ereignisse im Sommer ab.
Vorläufig haben die Leute leider noch
ein zu gro
werden das nicht für möglich halten,
verhungern! Dieses Vertrauen wird, wie ich
vermute, von offizieller Seite zu partei
politischen Zwecken geschürt; da es aber
noch eine Briefzensur g
wohl über diese Dinge wie über einige andere
nicht auslassen. —
Noch eins: Dass ein Mensch wie
Goetz
rische, dumme Idylle. Er muss nicht ver
hungern, er würde genug verdienen, dafür
könnte ich, zum Teil, sorgen; und hier ist
sein Platz, hier hat er zu arbeiten, wenn er
nicht verkommen will. (Niemand muss ver
hungern: Selbst
lächerlich kleinen Summen erhält, isst mit ihren
vier Personen ganz ordentlich; ich besuchte sie.)
Jedenfalls ist höchste Zeit, dass er hier lebt.
Die Pumpstation
Meine Frau war nur kurze Zeit in
Vater starb, und von dessen Beschaffen
heit – ganz?, zerschossen?, verkommen? oder blühend? –
wir uns keine Vorstellung machen konnten. Ich
erhielt eine, wie es scheint, nicht unerfreuliche
Nachricht von ihr. Sie wird in den nächsten
Wochen wieder eintreffen.
Und nun umarme ich Sie und die
liebe
ist er schon in Ihrer Nähe – Ihren